Die folgende Geschichte wäre ohne Kumpel Jürgen nicht entstanden. Deswegen muss ich erstmal ein paar Sätze über Kumpel Jürgen loswerden. Der Mann ist gerade 50 geworden, eine Seele von Mensch und hört deswegen hauptsächlich Metal. In allen Varianten. Sollten Sie zufällig mal auf der Suche nach dem Namen der angesagtesten Band aus der japanischen Trash-Metal-Szene sein, fragen Sie ihn. Jürgen hilft Ihnen vermutlich auch mit den letzten beiden Alben der Band weiter, die er mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem Ort stehen hat, den man früher Plattenschrank nannte. Bei Jürgen ist es eher ein Plattenzimmer.
Die Zeit, die andere Menschen in unserem Alter auf Golfplätzen oder auf Kreuzfahrtschiffen verschwenden, verbringt Kumpel Jürgen lieber auf Festivals. Seine Facebook-Timeline besteht hauptsächlich aus Konzert- und Festivalfotos, meistens mit positiven Kommentaren irgendwo zwischen „sehr geschmeidig“ oder einfach nur: „Sehr geil!“.
Unlängst allerdings war Jürgen eher ungnädig. Das kann man verstehen. Weil sie ihm bei einem seiner Festivals die Kapellen Marillion und Saga ins Lineup gehoben haben und, wie zum Hohn, den Co-Headliner Kim Wilde. Das hat mich im ersten Moment ziemlich zum Lachen gebracht, weil ich vor meinem geistigen Auge Kumpel Jürgen in Kutte und mit allen anderen Metal-Accessoires gesehen habe. Und wie er mit gequälter Miene zuhören muss, wie Marillion irgendwelches Zeugs zusammenspielen, das so aufregend ist wie eine Lesung aus dem Telefonbuch.
Und Saga! Saga!! Ich habe zum letzten Mal vor ungefähr 30 Jahren ein Saga-Album angehört, habe aber danach nur noch gehört, dass sich die Jungs noch pseudointelligenter anhören als früher. Immerhin haben Marillion und Saga eines gemeinsam: Sie bringen es seit Dekaden perfekt hin, dass ihre Anhänger glauben, sie hören „gute“ Musik, nur weil die Jungs ihre Instrumente halbwegs beherrschen. Dabei sind die unerträglichen Synthie-Soli auch nur musikalisch-intellektuelle Schwanzvergleiche älterer Herren (mit Bauchansatz). Die Qualität der Bands bemisst sich demnach in der Länge komplett sinnloser Soli mit irgendwas.
Ach ja, und Kim Wilde, das Three-Hit-Wonder aus den USA, die irgendwann nochmal von Heulboje Nena für ein Duett missbraucht wurde, stimmt, die gab es ja an dem Abend auch noch. Immerhin brachte das für mich die Erkenntnis mit sich, dass die immer noch richtige Konzerte gibt und offenbar auch gebucht wird. Bisher dachte ich, dass man Kim Wilde bestenfalls noch bei Autogrammstunden in Autohäusern sieht.
Natürlich könnte man jetzt darüber philosophieren, warum so wenige den Absprung schaffen, wenn man noch in Würde gehen könnte und einfach in guter Erinnerung bliebe. Steffi Graf hat es geschafft, Boris Becker wird bis zum Ende seiner Tage lachplattengefährdet bleiben. Die Beatles lösten sich zum idealen Zeitpunkt auf, die Stones werden heute nicht mehr so sehr für ihre musikalischen Einfälle geliebt, sondern vor allem für die Tatsache, dass Keith Richards vermutlich der einzige Mensch ist, der auch einen Atomschlag überleben würde. Und unser aller Halbgott Lemmy hat neben einer Menge anderer Dinge auch gezeigt, wie man in einer sehr eigenen Würde alt wird…
Ok, Saga und Marillion, das ist noch mal was Anderes. Deren Beitrag zur musikalischen Weltgeschichte würde überschaubar sein, ließ sich schon irgendwann vor 30 Jahren feststellen. Danach taugten sie dann nur noch als Beleg für die Theorie, dass man die Menschheit auch zugrunde richten kann, in dem man sie einfach zu Tode langweilt. Nachdem das jeder mit sich selbst ausmachen muss, ist das nicht großartig zu kritisieren. Peinlich wird es dann erst, wenn 60jährige Männer mit birnenählichen Figuren auf der Bühne stehen und das dann auch noch auf Rockfestivals. Alten Männern geht, das muss man einfach auch für uns Normalos als Erkenntnis mitnehmen, mit zunehmenden Alter das Gespür für das verloren, wo die Grenze zwischen cool und peinlich verläuft.
Passt also auf, Jungs. Selbst wenn ihr nicht Mitglieder in Bands seid, die irgendwann in den Achtzigern mal semiberühmt waren: Die Gefahr, sich zum Vollhorst zu machen, lauert täglich überall.
Eine Antwort auf „Das ganze Elend älterer Männer…“
Lieber Herr Jakubetz,
es mag durchaus sein, das Lesungen aus dem Telefonbuch von DILLINGEN langweilig sind. Oder sein würden. Denn ich bezweifle das es bisher Lesungen daraus gegeben hat oder auch jemals geben wird.
Um also eine solch theoretische Telefonbuchlesung in die Nähe einer musikalischen Darbietung rücken zu können, müsste eben jene im übrigen wohl eher im Bereich Rap (Sprech-Gesang) oder wenigstens HipHop (ach, wie soll man das erklären?) angesiedelt sein, denn im Segement melodischer Rock lassen sich Vor- und Nachnamen sowie endlose Zifferkolonnen nur schwer publikumswirksam vermitteln.
Ihrem Freund Jürgen sei zunächst einmal eine gute Lesebrille empfohlen. Gibt es im Drogeriemarkt, für 4,95 € das Stück, ein unwesentlicher Mehrbetrag im Verhältnis zu heutigen Ticketpreisen. Das LineUp des „Rock Of Ages Festival 2017“ in Stuttgart (Stuttgart? Sind das nicht die vom Diesel vernebelten Talbewohner mit Luxusschlitten?) stand ja wohl schon länger fest. Somit war seine Teilnahme mit Erwerb der Eintrittskarte ganz klar eine bewusste freie Willensentscheidung. Ohne Ihren Metal-Freund-Jürgen näher zu kennen: Vielleicht zückte er ja auch nur lüstern seine Geldbörse, um heimlich einen Blick auf die offenbar immer noch fesche Kim Wilde zu erhaschen? Ganz so, wie er sich vielleicht auch den Playboy am Kiosk kauft, natürlich nur, um die tollen Reportagen zu lesen?
Nun denn. Ihr Metal-Freund-Jürgen fand also SAGA und MARILLION nicht gut und sie leiten daraus mal eben „Das Ganze Elend Älterer Männer“ offenbar ausschließlich aus seinen tauben Metal Ohren ab. Das ist kühn! Das ist mutig!
Aber noch gewagter finde ich Ihre These, das man einfach Schluss machen sollte, wenn man älter wird. Den Absprung schaffen.
So wie jüngst CHESTER BENNINGTON oder CHRIS CORNELL etwa?
Sich feige aus dem Leben stehlen und die (in allen genannten Fällen) weltweiten Fans rat- und trostlos zurück lassen? Ohne mit neuer Musik für weltweite Lebensfreude und Begeisterung zu sorgen?
Ohne Glücksgefühle auszulösen?
Hier die Gute Nachricht:
Weder Ihr Metal-Freund-Jürgen noch Sie selbst müssen alles mögen! Die Welt ist bunt! Suchen Sie sich doch einfach Ihre Farbe aus und werden glücklich damit!
„Das Ganze Elend Älterer Männer“ besteht wohl eher darin, immer engstirniger, intoleranter und verschlossener zu werden. Verbohrter.
„Das Ganze Elend Älterer Männer“ besteht, auf den Punkt gebracht, ausschließlich darin, das Unbekannte mit zunehmenden Alter als Bedrohung zu empfinden.
Als verkappte männliche Mutter Theresa komme ich nicht umhin, ungefragt folgende weitere Ratschläge zu erteilen:
Ihrem Metal-Freund-Jürgen empfehle ich hinreichend bebrillt das LineUp zukünftiger Konzerte aufmerksamer zu studieren um so selbsterfüllende Prophezeiungen und damit einhergehende Enttäuschungen zu vermeiden.
Ihnen jedoch möchte ich vom Herzen den Besuch eines MARILLION Konzertes abseits der Festival empfehlen. Nicht, das Sie die Musik mögen würden. Nein, nein, das glaube ich nicht. Sie mögen ja das Telefonbuch von DILLINGEN besonders gerne. Aber vielleicht spüren Sie dort etwas von der Lebensfreude anderer älterer Männer? Und sind überrascht?
Denn sonst gilt für Sie zweifellos auf ewig folgende Textzeile aus Herbert Grönemeyer`s LUXUS (1990):
„Wir feiern hier ´ne Party und Du bist nicht dabei!“
In diesem Sinne,
wir sehen uns (oder auch nicht): 13. Oktober 2017: MARILLION, Royal Albert Hall London,
Lieber Herr Jakubetz,
es mag durchaus sein, das Lesungen aus dem Telefonbuch von DILLINGEN langweilig sind. Oder sein würden. Denn ich bezweifle das es bisher Lesungen daraus gegeben hat oder auch jemals geben wird.
Um also eine solch theoretische Telefonbuchlesung in die Nähe einer musikalischen Darbietung rücken zu können, müsste eben jene im übrigen wohl eher im Bereich Rap (Sprech-Gesang) oder wenigstens HipHop (ach, wie soll man das erklären?) angesiedelt sein, denn im Segement melodischer Rock lassen sich Vor- und Nachnamen sowie endlose Zifferkolonnen nur schwer publikumswirksam vermitteln.
Ihrem Freund Jürgen sei zunächst einmal eine gute Lesebrille empfohlen. Gibt es im Drogeriemarkt, für 4,95 € das Stück, ein unwesentlicher Mehrbetrag im Verhältnis zu heutigen Ticketpreisen. Das LineUp des „Rock Of Ages Festival 2017“ in Stuttgart (Stuttgart? Sind das nicht die vom Diesel vernebelten Talbewohner mit Luxusschlitten?) stand ja wohl schon länger fest. Somit war seine Teilnahme mit Erwerb der Eintrittskarte ganz klar eine bewusste freie Willensentscheidung. Ohne Ihren Metal-Freund-Jürgen näher zu kennen: Vielleicht zückte er ja auch nur lüstern seine Geldbörse, um heimlich einen Blick auf die offenbar immer noch fesche Kim Wilde zu erhaschen? Ganz so, wie er sich vielleicht auch den Playboy am Kiosk kauft, natürlich nur, um die tollen Reportagen zu lesen?
Nun denn. Ihr Metal-Freund-Jürgen fand also SAGA und MARILLION nicht gut und sie leiten daraus mal eben „Das Ganze Elend Älterer Männer“ offenbar ausschließlich aus seinen tauben Metal Ohren ab. Das ist kühn! Das ist mutig!
Aber noch gewagter finde ich Ihre These, das man einfach Schluss machen sollte, wenn man älter wird. Den Absprung schaffen.
So wie jüngst CHESTER BENNINGTON oder CHRIS CORNELL etwa?
Sich feige aus dem Leben stehlen und die (in allen genannten Fällen) weltweiten Fans rat- und trostlos zurück lassen? Ohne mit neuer Musik für weltweite Lebensfreude und Begeisterung zu sorgen?
Ohne Glücksgefühle auszulösen?
Hier die Gute Nachricht:
Weder Ihr Metal-Freund-Jürgen noch Sie selbst müssen alles mögen! Die Welt ist bunt! Suchen Sie sich doch einfach Ihre Farbe aus und werden glücklich damit!
„Das Ganze Elend Älterer Männer“ besteht wohl eher darin, immer engstirniger, intoleranter und verschlossener zu werden. Verbohrter.
„Das Ganze Elend Älterer Männer“ besteht, auf den Punkt gebracht, ausschließlich darin, das Unbekannte mit zunehmenden Alter als Bedrohung zu empfinden.
Als verkappte männliche Mutter Theresa komme ich nicht umhin, ungefragt folgende weitere Ratschläge zu erteilen:
Ihrem Metal-Freund-Jürgen empfehle ich hinreichend bebrillt das LineUp zukünftiger Konzerte aufmerksamer zu studieren um so selbsterfüllende Prophezeiungen und damit einhergehende Enttäuschungen zu vermeiden.
Ihnen jedoch möchte ich vom Herzen den Besuch eines MARILLION Konzertes abseits der Festival empfehlen. Nicht, das Sie die Musik mögen würden. Nein, nein, das glaube ich nicht. Sie mögen ja das Telefonbuch von DILLINGEN besonders gerne. Aber vielleicht spüren Sie dort etwas von der Lebensfreude anderer älterer Männer? Und sind überrascht?
Denn sonst gilt für Sie zweifellos auf ewig folgende Textzeile aus Herbert Grönemeyer`s LUXUS (1990):
„Wir feiern hier ´ne Party und Du bist nicht dabei!“
In diesem Sinne,
wir sehen uns (oder auch nicht): 13. Oktober 2017: MARILLION, Royal Albert Hall London,
Ihr noch nie cool gewesener Vollhorst,
Peter Wiedekamm.