Eine ganze Zeit habe ich mir mit gerungen: Wie geht man am besten mit den Corona-Krakeelern um? Was genau stößt mich an diesen Typen so entschieden ab? Aber in den letzten Tagen bin ich zu ein paar Antworten gekommen, zumindest für mich selbst.
Also, erstens: Ich mag mich weder empören noch entrüsten. Es entrüsten und empören sich ja ohnehin schon genügend andere Menschen. Im Netz sowieso, auf offener Straße auch. Wenn immer alle dauerempört sind, ist niemandem geholfen, wenn ich auch empört wäre, außer natürlich den anderen Empörten, weil geteilte Empörung gleich doppelte Empörung mit einem irren Wohlfühlfaktor ist. Weil ich mich unter ständig entrüsteten Menschen aber nicht wohl fühle, ist es vermutlich keine schlechte Idee, sich einfach von dieser Spezies fernzuhalten.
Weil, und damit kommen wir zu zweitens: Weder Entrüstung noch Empörung sind probate Mittel, um mit den Krakeelern klar zu kommen (ich nenne sie übrigens bewusst nicht Covidioten, weil…siehe oben). Die wenigsten von denen sind ernsthaft an einer Debatte interessiert, sondern in erster Linie am Krakeelen. Selbst wenn man es versuchen wollte: Mit Leuten, die an Impfmücken glauben und die ihre Kinder als Schutzschilder missbrauchen, diskutiert man nicht, weil man das nicht diskutieren kann. Ich bin der toleranteste Mensch der Welt. Von mir aus kann jeder an Impfmücken glauben und er kann auch querdenken, so viel er mag. Nur von mir erwarten, dass ich mit ihm dann ernsthaft debattiere, das sollte besser niemand.
Schließlich, das wird dann drittens: Ich habe mich eine ganze Zeit lang gewundert, wie Menschen mit einem Kreuz neben denen mit Hakenkreuz herlaufen können. Wie Friedensbewegte und Esoteriker neben Reichsbürgern und Skinheads demonstrieren gehen können. Ist ja schließlich ideologisch kaum miteinander zu vereinbaren.
Dabei interessiert sich von denen niemand für Ideologie (außer den Nazis natürlich, aber das ist wieder eine andere Geschichte). Eigentlich ist ihnen auch das Thema egal. Was sie dagegen eint:
Jede Demo ist die gefühlte Jahreshauptversammlung des Verbandes der Selbstgerechten!
Als Opfervertretung, weil es sich dabei um eine Reihe von gefühlten Opfern handelt. Aus deren Opferrolle erwächst dann, so paradox wie fatal zugleich, eine Anspruchshaltung, die in leichter Entrückheit gipfelt.
Wer so selbstgerecht ist wie die, der glaubt auch an die große Verschwörung. Und tut jeden, der das nicht macht, als Schlafschaf ab. Wenn das keine Form der kompletten narzisstischen Verblendung ist, dann weiß ich auch nicht mehr.
Das wiederum kommt mir inzwischen symptomatisch vor. Vermutlich gab es noch nie so viele selbstgerechte (und selbstverliebte) Menschen wie 2020. Das macht Debatten furchtbar anstrengend. Und bevor wir jetzt nur auf die „Covidioten“ schimpfen: Es ist ja nicht so, dass es nicht auf der anderen, der „guten“ Seite ausreichend viele Leute gäbe, die mit selbstverliebt (und gerecht) präzise beschrieben sind. Immer wieder spannend, wie viele Menschen sich für nicht weniger als einzigartig halten.
Vielleicht macht es ja gerade das so schwer. Der ganze Corona-Mist zwingt uns leider auch dazu einzusehen, dass wir nicht so einzigartig sind, wie wir glauben. Genau genommen reicht ein winziges, beschissenes Virus aus, um uns mal eben alle lahmzulegen. Hat sich was mit Einzigartigkeit!
Das muss man erst mal verkraften, eine solche Erkenntnis. Vielleicht sind die Krakeeler deswegen so pissed. Das selbstverliebte Ego des Durchschnittsmenschen 2020 kann es nur als eine hochgradige Verletzung empfinden, wenn das Virus schlauer ist als er. Da hilft dann bloß noch die Realitätsverweigerung.
Aber auch hier gilt: Das muss ich nicht wirklich diskutieren. Sucht euch einen guten Arzt, der hilft vielleicht.
Und alle anderen wissen eh: Wir sind zwar nicht einzigartig, aber wir werden auch das irgendwie überstehen. Für den ersten Impfstoff, wie passend, ist heute die Zulassung beantragt worden.