Als halbwegs kultivierter Europäer und vernunftbegabter Mensch müsste man die meisten der nachfolgend geschilderten Dinge einfach nur grässlich finden. Man müsste sich empören über so viel Unvernunft, schlechten Geschmack und Unkultur. Hinweis: Falls Sie das tun und all diese Dinge jetzt mit den USA in Verbindung bringen, sollten Sie nicht weiterlesen.
Da ist beispielsweise diese Geschichte mit dem Essen. In Deutschland sind wir es inzwischen gewohnt, Essen auf jeden Mist hin abzuklopfen: Gluten, Laktose, Fett, Cholesterin. Ist das vegetarisch, idealerweise sogar vegan? Von glücklichen Hühnern, intelligenten Schweinen und Landwirten mit der politisch korrekten Einstellung?
Hier schert sich kein Mensch darum. Was Gluten ist, wissen in den USA vermutlich nur Wissenschaftler, den Begriff vegan habe ich hier noch nie gelesen und überhaupt: Zum Frühstück gibt´s Eier mit Bacon, dazwischen Pancakes und am Abend gerne einen Burger (falls man den nicht schon mittags hatte). Es wird zuckerhaltiges, euphemistisch „Softdrinks“ genanntes Zeug in Litermengen getrunken und dazu noch jede Menge Brownies und Cheesecakes gegessen. Lauter Sachen, die am besten mit einem Wort beschrieben sind: unvernünftig.
Ja, der Amerikaner ist unvernünftig. Aber so richtig. Er isst unvernünftiges Zeug. Er erzeugt Müll in Mengen, die bei uns nicht nur jeden halbwegs ökologisch interessierten Menschen erblassen lassen. Er fährt völlig idiotische Autos, das aber mit Leidenschaft. Die Kisten verbrauchen mühelos mal eben 15 Liter und stoßen Dreck aus, dass man sich wundert, warum sie bei VW und seinem Stinkediesel so pedantisch sind, wo es doch bei den Dreckmengen, die sie hier in die Luft pusten, auch nicht mehr drauf ankommt. Macht dem Ami auch deswegen nichts, weil hier der Sprit mit umgerechnet gut 50 Cent pro Liter immer noch sagenhaft günstig ist. Amerikaner selbst werden allerdings kaum müde, sich über die hohen Benzinpreise zu beschweren.
Der Irrsinn wird noch ein bisschen irrsinniger, wenn man weiß, dass hier 75 Meilen das absolute Tempo-Maximum auf den Straßen sind. Muss man sich mal vorstellen: Man hat eine 5-Liter-Maschine unter dem Hintern und schiebt die dann mit knapp 120 km/h über die Interstates, die hier derart breit ausgebaut sind, dass man sich wiederum wundern muss, was sie eigentlich immer alle haben mit diesen deutschen Autobahnen.
Was wir übrigens kopfschüttelnd Unvernunft nennen, ist für den Amerikaner einfach nur Freiheit. „Live free or die“, steht hier tatsächlich auf manchen Autoschildern. Der Amerikaner hat ein Radikalverständnis von Freiheit. Nämlich das, dass jeder alles tun und lassen kann, was er will, solange er andere zumindest nicht übermäßig schädigt. Deswegen kann hier jeder eine Waffe tragen und „Heil Hitler“ auf offener Straße schreien und sogar Donald Trump wählen.
Auf der anderen Seite heißt das aber auch, dass sich der Amerikaner in seiner Freiheit bereits eingeschränkt fühlt, wenn ihn der Staat zwingen will, eine Krankenversicherung abzuschließen. Amerikaner halten das Leben in Europa für ziemlich reguliert und unfrei und vermutlich sehen sie in Deutschland ein halbsozialistisches Land, in dem eine ältere Frau den Menschen vorschreibt, was sie zu tun haben.
Amerika heißt wiederum für mich: Immer, wenn ich da bin, kann ich komplett unvernünftig sein und Deutschland langweilig, piefig und überreguliert finden. Ich kann völlig unsinnige Dinge tun und muss mich dabei nicht mal vor mir selbst rechtfertigen.
Und jetzt geht es in den Diner. Frühstück. Oder besser: das, was die hier darunter verstehen.