Gerade eben lese ich übrigens ein Buch über Stoizismus. Es ziemlich gut, vor allem, weil es weit entfernt ist vom Kalendersprüche-Niveau. Oder diesen grässlichen Postings mit völlig sinnentleerten Lebensweisheiten, die immer wieder mal durch Facebook geistern und die von den nachdenklichen Sprüchen mit Bildern regelmäßig wunderbar persifliert werden. Müsste man die knapp 400 Seiten des Buches in einem Satz zusammenfassen, er würde lauten: Reg dich nicht so auf!
Das ist eine ziemlich gute Empfehlung, weil es in den meisten Fällen ja tatsächlich eher wenig bringt, wenn man sich aufregt. Die Kinder benehmen sich deswegen auch kein Stück weit besser, die Kollegen nerven immer noch und nicht mal ein Fußball-Ergebnis kann man dadurch korrigieren, indem man möglichst laut rumbrüllt, auch wenn lautes Rumbrüllen zweifelsohne zum Fußball auch mal dazu gehört.
Manchmal hilft aber weder der gute Vorsatz etwas noch die Lektüre über die Grundlagen des Stoizismus. Vor allem dann nicht, wenn es um Firmen geht. Oder Behörden. Oder, am Schlimmsten, große Firmen, die mal Behörden waren. Die Telekom. Oder, wirklich eine Herausforderung, die Bahn. Ich mag mir lieber nicht vorstellen, was herauskommt, wenn irgendjemand die Finanzämter privatisiert. Oder man am Ende einen Termin in einem privatisierten Finanzamt hat, den man sich via Telekom-Anschluss ausgemacht hat und der nur per Bahn erreichbar ist. Das hält kein Stoiker dieser Erde mehr aus.
Es lässt sich dummerweise aber nicht vermeiden, ab und an mal mit der Bahn zu fahren (oder mit der Telekom und dem Finanzamt zu tun zu haben). Diese Woche also wieder eine Fahrt mit der Bahn. Als erfahrener Bahnfahrer, technikaffiner Mensch, Stoiker und Skeptiker zugleich sind bei mir sogar kurze Fahrten (in dem Fall: gut 100 km) mit einem logistischen Großaufgebot vorbereitet.
Falls Sie mitschreiben oder selbst noch was fürs Bahnfahrer-Leben lernen wollen, hier die Liste:
- Bahn-App
- bahn.de (ab und an unterscheiden sich die Angaben in der App und auf der Webseite)
- Twitter-App (damit man bei der Bahn im Zweifelsfall nachfragen kann)
- Blick auf die analoge Anzeigetafel im Bahnhof
So war das auch diese Woche, auch wenn im mich für einen kurzen Moment selbst für zwangsneurotisch gehalten habe. Bis kurz hinter Augsburg war dann auch alles gut, so weit man bei der Bahn von gut sprechen kann. Dann die Durchsage: Wegen Bauarbeiten wird der Zug irgendwo in der Pampa gestoppt und durch Schienenersatzverkehr ersetzt (nebenbei: gegen die Abkürzung SEV habe ich inzwischen Aggressionen entwickelt, wenn ich sie nur sehe).
Und wie das gerne so ist bei der Bahn: Durchsagen über Alternativen und Anschlüsse? Fehlanzeige. Personal im Zug? Niemand. Irgendjemand am Pampa-Bahnsteig, der sich auskennen könnte? Ach woher. Der Busfahrer im SEV? Hatte auch gerade eben erst erfahren, dass er fahren muss.
Deswegen die Frage bei der Bahn und bei Twitter: Was ist da los? Die Twitter-Kollegen der Bahn haben dann das selbst für Bahn-Verhältnisse außergewöhnliche Kunststück fertiggebracht, innerhalb von 30 Minuten drei komplett widersprüchliche Antworten zu geben.
Antwort 1:
Zu einem SEV liegen mir auf der Strecke keine Infos vor. Wurde denn mitgeteilt, warum es SEV gibt? /ni
— DB Personenverkehr (@DB_Bahn) June 29, 2017
Kurz darauf:
Dieser SEV ist aber im Fahrplan hinterlegt. Auch in der App wird dieser angegeben. /ni
— DB Personenverkehr (@DB_Bahn) June 29, 2017
Erstaunlich: Erst keine Infos über SEV, fünf Minuten später: Steht doch im Fahrplan! Also schicke ich einen Screenshot mit, aus dem eindeutig hervorgeht, dass im Fahrplan keine Rede von einem SEV ist.
Deswegen dann die nächste Variante: Was ich denn wohl hätte, der Zug sei doch ganz pünktlich angekommen (anscheinend hält man mich, der dauernd versucht, eine 45minütige Verspätung bekanntzugeben, für einen ordentlichen Spinner).
Nach meinen Infos ist RE 59130 von Augsburg nach Donauwörth gefahren und kam dort um 17.58 Uhr an. Nachfolgende Verbindung ist mit SEV /ni
— DB Personenverkehr (@DB_Bahn) June 29, 2017
Nein, schreibe ich, ist er nicht, ich saß ja drin im Zug. Das überzeugt dann auch den Twitter-Menschen der Bahn, der sich zu einer Art Resignation hinreißen lässt:
Merkwürdig, dann stimmen auch nicht die vom Zug übermittelten Echtzeitdaten. /ni
— DB Personenverkehr (@DB_Bahn) June 29, 2017
Am Ende stehe ich also da mit meiner inzwischen knapp einstündigen Verspätung, habe der Bahn erklären dürfen, dass ich kein Spinner bin – und vermisse bei alledem immer noch ein einziges kleines Wort, mit dem die Sache viel leichter zu erledigen gewesen wäre:
Entschuldigung.
Aber vermutlich ist das zu viel erwartet von Behörden oder sehr großen Firmen, die mal Behörden waren.