Am Wochenende habe ich Mick Jagger und Keith Richards gesehen. Und dann habe ich an Alexander Gauland gedacht.
Ok, zugegeben, das klingt jetzt erstmal nicht nach einer sehr logischen Gedankenkette. Aber es hat was mit dem Alter zu tun. Jagger, Richards und Gauland sind alles Männer in einem ähnlichen Alter und das muss man sich dann erstmal wirklich vorstellen.
Und sie sind ein Beleg dafür, wie man ein Leben verbringen kann. Was es ausmacht, wie man was macht. Und am Ende sind sie auch sinnbildlich für die Frage, was man besser findet: Rock’n’Roll, Keith, Mick und die anderen – oder doch Humtatata, Gauland, Weidel und die Storch.
So, aber jetzt erst mal der Reihe nach, bevor das hier vollends unverständlich wird. Die Stones waren mal ein Sinnbild für Befreiung. Von der Spießigkeit und der Piefigkeit ihrer Zeit. „Sympathy for the Devil“ ist als Satanismus-Hymne missverstanden worden, „Street Fighting Man“ ist von Radiosendern boykottiert worden, weil es angeblich einen Aufruf zu Gewalt und Revolution darstellen sollte. „Satisfaction“ klingt heute wie ein harmloses Liedchen, war aber damals eine Ungeheuerlichkeit. Und dann erst die etwas späteren Jahre: „Beggar’s Banquet“ war das erste Album für mich, bei dem ich mit echtem (ok, weißem) Blues in Berührung gekommen bin. Mit 13 habe ich das noch nicht kapiert, später erst hat es mir gedämmert, was für ein großartiges Album das ist. „Let it bleed“, „Sticky Fingers“, „Exile on Main Street“, die Klassiker, aber auch später noch immer wieder großartige Geschichten, die vor allem von einem leben: exzessiver Energie, der Lust, sich immer wieder auf was Neues einzulassen.
Ich habe natürlich keinerlei Ahnung, wie man sowas genau bemessen könnte, aber ich würde trotzdem sagen: Ohne die Stones hätten wir heute ein wesentlich schlechteres, unfreieres und langweiligeres Leben. Und dass übrigens ausgerechnet am Abend vor dem Stones-Open-Air Helene Fischer in einem ausverkauften Stadion aufgetreten ist, ist eine unfreiwillige Ironie: Damals waren die Stones, heute haben wir die Fischer. Zu Zeiten der Stones gab es die Kennedys und Willy Brandt. Heute haben wir Trump und Markus Söder. Normalerweise neige ich nicht zu „Früher war alles besser“, aber manchmal, ganz ehrlich…
Womit wir jetzt endlich doch noch beim Gauland und seinen Freunden landen. Die zurück in der Zeit wollen, aber keineswegs in die von Brandt und Kennedy, sondern in irgendwelche 50er, die es in dieser Form eh nie gegeben hat. Die wollen alles, was quasi Anti-Stones ist. Die sind schlimmer als jeder Spießbürger aus diesen Zeiten, aggressiver, lauter, pöbeliger als alles, was wir, die wir ja mehr oder weniger Generation Stones sind, jemals gekannt haben.
Jedenfalls habe ich am Samstag die Stones gesehen, in ihrer ganzen Unverwüstlichkeit, ihrer immer noch unfassbaren Energie, die sie auf die Bühne bringen. Eine Hymne an der anderen und natürlich gehören da all die Dinge dazu, die man früher mal verbieten oder skandalisieren wollte.
Dann habe ich wieder den Gauland vor mir gesehen. Diesen verbitterten, grauen, bösen alten Mann. Bis ich schließlich wusste, warum man nur eines haben kann: die Stones. Oder den Gauland.