An einem frühen Spätsommermorgen in Kalifornien: Auch an solchen Tagen hat es im Landesinneren immer noch gute 30 Grad und es ist staubtrocken. An einem solchem Morgen also sitzen wir in einer von vermutlich Milliarden „Dennys“-Filialen, einem klassischen amerikanischen Frühstückdinner, der exakt so aussieht wie die anderen Milliarden Filialen.
Das Tolle an Amerika ist ja: Es ist völlig egal, ob du irgendwo durch Ohio gondelst oder durch Kalifornien, die Liebe der Amerikaner zum Filialsystem sorgt für ein paar Konstanten bei einem Roadtrip. Man weiß zum Beispiel immer, wo man zuverlässig ein ordentliches Frühstück herbekommt.
An diesem Morgen also beim „Dennys“ sitzen wir am Fenster an einem „Booth“, diesen Bänken, wie es sie nur in den USA gibt und die man aus unzähligen Filmen und Serien kennt. Plötzlich ein Knattern, ach was: ein gediegenes Röhren. Zwei Harleys biegen um die Ecke. Sie sehen aus, wie Harleys nun mal aussehen. Sehr breit, sehr verchromt, sehr amerikanisch. Auch die Fahrer entsprechen nahezu jedem denkbaren Klischee. Außer einem: Der Fahrer und die Fahrerin auf ihren beiden Maschinen waren erkennbar – irgendwas um die 70. Lange graue Haare beide, er mit langem grauen Bart. Beide in Jeans-Montur und Stiefeln. Da staunt der 50jährige aus dem biederen Deutschland etwas und fragt nach bei den beiden: Warum fahrt ihr immer noch Harley? Oder schon wieder?
Dieser Text ist quasi ein Kerngedanke. Die Grundlage der Fortsetzung des „40jährigen, der aus dem Golf stieg und verschwand“. Ein paar Überlegungen zum alt werden. Also, zum richtig alt werden. Nicht dieser Midlife-Crisis-Kinderkram von 40jährigen. Ich hoffe, das gute Stück wird 2019 fertig und ich hoffe, ihr begleitet es wieder mit vielen Anregungen und Kommentaren. Wenn es dann auch noch jemand kauft, bin ich glücklich.
Die beiden starren mich an, als wenn ich etwas Obszönes gesagt hätte und für einen Moment komme ich mir auch genauso vor. Warum nicht, knarzt der männliche Teil des Harley-Duos. Mit der Zeit, als sie bemerken, dass mein Interesse ein aufrechtes ist und ich sie keineswegs für zwei wunderliche Gestalten halte, werden sie mitteilsamer: Davon abgesehen, dass beide ihr Leben als Arbeiter bei Harley verbracht haben, sei Harley ein Lebensgefühl. Eines, das viel mit Freiheit zu tun hat. Eines, das bedeutet: Irgendwann morgens steht man auf, schwingt sich beim ewigen kalfifornischen Sonnenschein auf die Maschine, dreht ein paar Runden, geht zum Frühstück in den Diner und dann dreht man wieder ein paar Runden und dann wird man schon sehen, was der Tag noch so bringt. Im schlechtesten Fall bringt er nur ein paar Harley-Runden in der Sonne Kaliforniens. Es gibt, denke ich mir, deutlich schlechtere Möglichkeiten, seinen Tag zu verbringen.
Im gleichen Moment denke ich an viele Altersgenossen (und natürlich auch an ältere Menschen, beispielsweise jenseits der 60 oder 70). Ich überlege, wie viele es in meinem Dunstkreis gibt, die sinnbildlich gesehen ihren Tag mit Harley-Fahren verbringen oder es jemals tun werden.
Mir fallen auf den ersten und auf den zweiten Blick nicht viele sein. Stattdessen: Menschen, die sich anscheinend zum Ziel gesetzt haben, sich und ihre Umgebung zu Tode zu langweilen.
Ich mag übrigens keine Harley, ich mag Motorräder ohnehin nicht sonderlich. Aber den Rest des Lebens Harley-Fahren, das halte ich plötzlich für einen ziemlich guten Vorsatz.
Die folgende Geschichte hat zu tun mit: sehr schlechten Menschen, unfassbar tollen Menschen, den USA und was dort alles schief läuft, warum das Silicon Valley auch eine ganz schöne Mistveranstaltung sein kann, was wir daraus lernen können – und den Trotteln der AfD.
Die Geschichte beginnt in San Francisco, wo wir ein paar Tage unserer Westküsten-Rundreise verbringen wollen. Alles selber gebucht, keine Guides, keine vorgebuchten Routen. Hinkommen und schauen, was passiert. So machen wir das immer. Wir haben ein Auto dabei und ein paar Kreditkarten und das reicht dann auch. Am ersten Abend in San Francisco beschließen wir noch einen kleinen Bummel an den Fishermens Wharf. Nicht sehr originell, ich weiß, aber die Seelöwen dort sind so nett. Ein kleiner Spaziergang dorthin, dann noch ein Kaffee zum Aufwärmen (SFO ist ziemlich kühl und windig, auch im Hochsommer), dann zurück zum Auto, das mitten in der Stadt auf einer Hauptstraße geparkt ist.
Dort trifft uns der Schlag: Ein Haufen Scherben vor dem Auto, von dem sich schnell herausstellt, dass er die kläglichen Überreste unserer Seitenscheibe darstellt. Jemand hat sie eingeschlagen, mein Foto-Equipment aus dem Kofferraum geholt – und ist verschwunden. Keine große Sache. Dauert maximal eine Minute. Risiko in San Francisco: null. Letztes Jahr sind nach offiziellen Zahlen rund 30.000 (!) Fahrzeuge so aufgebrochen worden. Jeden Tag rund 80. Immer, überall, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Steht in keinem Reiseführer. Aber das Problem ist in San Francisco wohlbekannt, jeder weiß es. Allerdings nutzt es häufig nicht einmal etwas, einen Zettel an die Scheibe zu hängen, dass sich im Auto nichts Wertvolles befindet. „Smash and Grab“ kann jeden treffen. Immer, überall.
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Jetzt kommt der Teil, über den ich ungern schreibe. Weil ich natürlich viel lieber eine coole Heldengeschichte erzählen würde. Tatsächlich folgt jetzt eine klägliche Geschichte des Versagens. Meines eigenen nämlich.
Wir gehen ins benachbarte Sheraton-Hotel, weil wir in irgendeiner deutschentypischen Naivität glauben, jemand könnte etwas gesehen haben. Oder es gibt eine Überwachungskamera. Gleichzeitig rufe ich die Polizei an, die mir mitteilt, bei so etwas könne man ein Online-Formular ausfüllen, mehr nicht. Dann versuche ich mein Glück bei der Hotline des Autovermieters, weil das Auto schließlich, wie sich herausstellt, nicht mehr fahrtüchtig ist. Bei der Hotline erreiche ich niemanden und das ist schließlich zu viel für mich. Mir wird schwindlig und schlecht. Und ich muss ich erstmal hinsetzen.
Zu meiner Ehrenrettung: Am Abend davor hatten wir irgendwo in der Prärie einen Reifenschaden, es war kompliziert, dort wieder rauszukommen und ich lag dann irgendwann morgens um 4 todmüde im Bett. Da ist man nicht mehr so empfänglich für gestohlene Kameras und kaputte, aufgebrochene Autos.
Plötzlich, ich weiß nicht mehr wie, stehen Menschen um mich herum. Der Manager des Hotels, Jason, eine Seele von einem großartigen Menschen. Jemand anderes fragt mich, ob wirklich alles ok ist, checkt meinen Gesundheitszustand, findet ihn bedenklich und sagt, ich solle aufhören zu telefonieren.
Der Mann bleibt schließlich vier Stunden bei uns.
Er telefoniert mit dem Autovermieter, kümmert sich darum, dass wir ein neues Auto bekommen, checkt immer wieder meinen Zustand. Er kümmert sich buchstäblich um alles, ich vermute übrigens, er ist Arzt. Seinen Namen will mir der Doc nicht verraten.
Jason sorgt sich unterdessen darum, dass wir Wasser und etwas zu essen bekommen. Jason muss war arbeiten an diesem Abend, kommt aber in jeder freien Sekunde, um nach uns zu sehen. Selbst als er schon Feierabend hat, irgendwann am späten Abend, bleibt er noch.
Und ich weiß nicht, was ich mehr mitnimmt: Der Ärger und die Sorgen – oder doch das fassungslose Erstaunen und die Rührung darüber, dass sich hier vier wildfremde Menschen um uns kümmern, ohne davon irgendeinen eigenen Vorteil haben zu können. Zwei der vier sind Security-Leute des Hotels, die u.a. unser Auto checken, es zum Sheraton-Parkplatz bringen und uns sagen, dass wir damit besser nicht mehr fahren sollen. Beide haben Migrationshintergrund, wie das bei uns immer so schön heißt, einer ist aus dem Sudan. Dazu später noch ein bisschen mehr.
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Irgendwann, es ist beinahe Mitternacht, lichten sich die Nebel. Wir – oder besser gesagt der anonyme Doc – haben ein neues Auto für den kommenden Tag besorgt. Das alte Auto wird abgeschleppt, und hey, Geld und Kreditkarten und Ausweise sind noch da. Ich habe mich auch wieder gefangen und möchte gerade irgendwie die Rückkehr in unser Hotel organisieren. Da taucht Jason auf, der wie gesagt schon lange Feierabend hat. Er besteht darauf (!) uns ein Taxi zu besorgen. Und er bezahlt es auch noch. Einfach so. Ich habe keine Ahnung, wie ich diesen Menschen danken soll. Und ich bin überwältigt davon, wie großartig manche Menschen sind. Wenn irgendjemand mal wieder mit spöttischem Beigeschmack den Begriff „Gutmensch“ benutzt, werde ich an Jason, seine Mitarbeiter und den anonymen Doc denken. Gutmenschen? Fantastische Menschen, ohne die unsere Welt ganz schön arm dran wäre.
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Kleiner Exkurs, bevor wir wieder zu diesen vier tollen Menschen kommen: San Francisco lebt von seinem Ruf, wie es nahezu alle begehrten Ziele dieser Welt tun. Hinter der Fassade der Stadt steckt aber sehr viel mehr Elend, Schmutz, Kriminalität und soziale Ungerechtigkeit als bei vielen anderen. San Francisco ist quasi der Generalentwurf einer Gesellschaft, in der es kaum mehr eine Mittelschicht gibt. Eine Stadt, die es nicht vergisst, sondern absichtlich unterlässt, diejenigen mitzunehmen, die mit dem Tempo des Turbokapitalismus nicht mehr mitkommen. Wenn du einen guten Job im Silicon Valley hast, kannst du hier vermutlich ein gutes Leben führen. Wenn nicht, bist du schnell ein Aussätziger. Vielleicht musst du nicht gleich auf der Straße leben, aber dann eben irgendwo 60, 70, 80 Meilen im Landesinneren.
Ich habe jedenfalls selten eine Stadt erlebt, bei der zwischen Schein und Sein ein derart großes Loch ist wie in San Francisco. Bevor ihr mir jetzt sagt, dass das in den USA eben häufig so ist: Ich bilde mir ein, nach über einem Dutzend Besuchen das Land ganz gut zu kennen; ganz davon abgesehen habe ich zufällig dort geheiratet. Ich weiß, dass es mit der Sicherheit auf den Straßen dort anders aussieht als bei uns, aber San Francisco ist selbst für US-Verhältnisse ungewöhnlich. Man hat sich dort übrigens an die Zustände gewöhnt. Egal, mit wem ich in diesen Tagen spreche, alle sagen mir: Welcome to San Francisco! Soll so viel heißen wie: Das ist hier nun mal so, deal with it.
Wenn das jedenfalls die bevorstehende Valleyisierung der Welt kennzeichnet, wäre ich gerne lieber nicht dabei.
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Aber zurück zu diesem unglücklichen Abend. Die Polizei macht bei so etwas mittlerweile gar nichts mehr, was soll sie auch tun bei 80 Fällen pro Tag? Der Autovermieter ist erst überhaupt nicht zu erreichen, danach (nach knapp zwei Stunden) wird man mit den Realitäten des amerikanischen Bildungssystems konfrontiert: Jemanden zu finden, der das Problem (altes Auto kaputt, wir brauchen ein neues) lösen kann, nimmt fast den ganzen Abend in Anspruch. Würde ich dann jetzt noch erzählen, wie die nächsten zwei Tage verliefen, würde dieser Beitrag hier zum Buch werden. Deswegen nur soviel: Wir haben wieder ein Auto, aber nur, weil wir aktuell für zwei Autos bezahlen.
Jason, der anonyme Doc und seine Leute aber sind das krasse Gegenteil: Sie helfen, weil sie helfen wollen. Ohne zu fragen, ohne zu überlegen, welchen Vorteil sie davon haben können. Am Ende bin ich so gerührt, dass ich fast kein vernünftiges Wort des Dankes herausbringe. Zumal ich mich im Stillen frage, ob ich um umgekehrten Fall genauso gehandelt hätte und ich mir nicht sicher bin, ob die Antwort auf diese Frage unbedingt zu meinen Gunsten ausfallen würde.
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Am nächsten Abend, das Schlimmste haben wir hinter uns, fahren wir nochmal zum Sheraton. Wir bringen Jason ein kleines Dankeschön vorbei, er freut sich derart, dass er uns alle umarmt. Ich kapiere für einen Moment die Welt nicht mehr: Eigentlich müsste ich ihn umarmen. Auch die Jungs von der Security freuen sich. Nicht nur, weil wir uns bedanken. Sondern weil sie sehen, dass ihre Hilfe genutzt hat. Einer der Jungs ist erst seit ein paar Monaten da und ist aus dem Sudan und in dem Moment bekomme ich einen dicken Hals, wenn ich an das üble Gegröle und Gehetze des Durchschnitts-AfDlers denke. Die Welt nicht kennen, nicht gesehen haben, aber laut quäken. Wenn jedenfalls nochmal einer von den Gipsköpfen lamentiert, wie furchtbar in Deutschland alles geworden sei, den schicke ich nach San Francisco. Oder South Central LA. Damit er was für sein armseliges Leben lernt.
Und der anonyme Doc? Am Abend zuvor hatte ich Jason gebeten, seinen Namen ausfindig zu machen. Und seine Zimmernummer.
Sorry, sagt mir Jason, hier muss er zum ersten Mal passen. Der anonyme Doc ist ausgecheckt und hat darauf bestanden, anonym zu bleiben. Weil er keinen Dank für seine Hilfe will. Weil es für ihn selbstverständlich ist zu helfen, wenn jemand Hilfe braucht.
Hey Doc, ich weiß, ich werde Sie wahrscheinlich nie wieder sehen. Aber falls Sie das hier wider Erwarten irgendwann mal lesen sollten: Sie und Jason sind zwei der beeindruckendsten Menschen, die mir jemals begegnet sind.
Früher mal (was denn, den Begriff kennen Sie schon?) war die Planung von Urlauben eine ziemlich einfache Sache: Man ist dahin, wo es irgendwo warm und geil war. Kosten, Dauer, Unterkunft, Anreise? Ach, was soll man sich das Leben durch unnötige Fragen verkomplizieren, Hauptsache: warm und geil.
Das hat sich geändert in dem Moment, in dem wir irgendwann mal Eltern wurden. Bei jedem Kinder-Urlaub habe ich mir insgeheim gedacht: Was bin ich froh, wenn es wieder diese Abenteuer-Urlaube mit eher wenig Planung und dafür vielen spontanen Überraschungen gibt. Weil, Familienhotel mit Pool, das muss man ja auch erst einmal mögen.
Ok, ich gebe das an dieser Stelle zu: Ich habe sowas tatsächlich gemacht. Und wenn Sie jetzt denken sollten „Selbst schuld!“, dann haben Sie selbstverständlich recht. Man kann schließlich Urlaub mit Familie und Kindern auch anders machen als in einem trostlosen Familienhotel irgendwo in Spanien. Aber irgendwann zwischen 35 und 45 befällt einen so eine Grundmüdigkeit, gepaart mit einer heftigen Dosis Bequemlichkeit. Zumindest dann, wenn man alles das tut, was Eltern so tun: Die Aufzucht der Kinder ist so derart anstrengend, dass es kein Wunder ist, wenn im Tierreich die Eltern nach dieser Aufzucht die Kindern gnadenlos vertreiben und ihnen mitteilen, sie sollten sich ab sofort selbst um ihren Mist kümmern. Da reicht es dann nur für Malle oder so einen Kram. Weil man froh ist, sich mal eine Zeit lang nicht um den alltäglichen Irrsinn kümmern zu müssen, den Kinder und Familienleben nun mal so nach sich zieht.
Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Die beste Ehefrau von allen und ich planen gerade wieder. Dieses Mal die Sommertour 2018. Die letzten Trips haben uns langsam wieder an dieses Warm-und-geil-Gefühl herangeführt (nachzulesen u.a. hier, hier, hier, hier und hier). Und weil wir inzwischen so viel Vergnügen an ausgedehnten USA-Roadtrips gefunden haben, steht ein solcher auch aktuell wieder zur Debatte. Nur etwas länger, ausführlicher und heftiger als davor. Die Idee: Drei Meere, zwei Kontinente, zwei Länder, acht Bundesstaaten, vier Zeitzonen und 6000 Meilen mit dem Auto. Durch Wüsten, Berge und ans Meer, mit Reminiszenzen an Breaking Bad, Dallas, Miami Vice.
Aber wie das so ist, wenn man zum alten, weißen Mann geworden ist: Packt man das alles noch so? Hat man überhaupt Lust auf 6000 Meilen Auto, auf Höchsttemperaturen von 50 Grad, auf Bären, Klapperschlangen? Die einfache Antwort: Ja, ich will und ich kann und ich werde!
Die etwas kompliziertere: Ich will immer noch, aber es ist einigermaßen bedenklich, dass man sich die Frage nach dem Können überhaupt stellen muss. Nicht nur wegen der möglichen körperlichen Belastungen, sondern weil man sich im Zwiegespräch mit sich selbst eingestehen muss, dass man ganz schön verspießert ist, wenn man so was ernsthaft mit sich selbst debattiert. Da hätte man jetzt endlich langsam seine Freiheiten wieder und denkt dann ernsthaft über einen solchen Bullshit nach?
Life is short, liebe Freunde, das ist leider nicht nur ein selten flacher Kalenderspruch, sondern auch eine bittere Realität. Ich kenne zu viele Leute, die in etwas gesetzterem Alter bedauert haben, das Leben nicht mehr genossen zu haben. Und ich kenne keinen einzigen, der am Ende seines Lebens bedauert, nicht mehr gearbeitet oder nicht noch mehr verdient zu haben.
Außerdem habe ich brav meinen Rolf Dobelli gelesen, aus dessen letzten Büchern mir vor allem eines in Erinnerung geblieben ist: mehr in Erlebnisse und weniger in Gegenstände zu investieren. Weil die Erlebnisse bleiben und die Gegenstände vergänglich sind.
Und deshalb: Im August geht es los, vier Wochen lang. Drei Meere, zwei Kontinente, zwei Länder, acht Bundesstaaten, vier Zeitzonen und 6000 Meilen mit dem Auto. Durch Wüsten, Berge und ans Meer, mit Reminiszenzen an Breaking Bad, Dallas, Miami Vice.
Wir Mitteleuropäer sind, wenn es ums Wetter geht, elende Zivilisationsmemmen. Wenn es länger als eine Stunde regnet, wenn es mal ein bisschen kälter oder auch etwas wärmer ist, es dauert nicht lange, bis zuverlässig jemand heult. Bevorzugt der Wettermann der „Bild“: Eiswinter, Saharahitze, Monsterstürme. Soll es demnach alles bei uns geben. Das sind in etwa unsere Vorstellungen von der wilden Natur.
Man muss dazu wissen, dass nach mitteleuropäischem Empfinden der Eiswinter bei etwas unter null Grad und die Saharahitze bei 30 Grad anfängt, der Monstersturm wiederum beginnt bei allem, wo Zweige von Bäumen abgeknickt werden. Das ist prinzipiell schon in Ordnung so, vor allem wenn man in Mitteleuropa aufgewachsen ist. Man ist dann reichlich verzärtelt und weiß nur aus dem Fernsehen, dass es auch ganz anders sein kann.
Hier in Südflorida warten die Menschen gerade auf etwas, was man tatsächlich Monstersturm nennen kann. „Irma“ ist einer der stärksten Stürme, die jemals gemessen wurden und hat jetzt schon einige Rekorde gebrochen (Amerikaner lieben es prinzipiell, in Rekorden zu denken). Die Verwüstungen draußen auf dem Meer und auf den bisher getroffenen Karibik-Inseln sind so, dass man froh sein sollte, wenn man hier einigermaßen heile rauskommt.
Und was machen die Leute? „Das wird wirklich schlimm, sehr schlimm“, erzählt mir einer im Diner beim Frühstück und sagt das in einem Ton, als erzähle er gerade davon, dass er am Wochenende dringend den Rasen mähen muss. Man sei das ja schon ein bisschen gewohnt hier, aber dieser Sturm mache sogar die Floridianer leicht nervös, sagt mir wiederum eine Frau an der Hotelrezeption. Vom selben Hotel, das seinen Gästen gerade eben noch dringend ans Herz gelegt hat, die Gegend zu verlassen, so lange es noch geht. Wie schlimm es denn werde, frage ich. Viel, antwortet sie, werde „Irma“ nicht von Sanibel Island übriglassen.
Unterdessen: Menschen vernageln ihre Häuser, besorgen sich Benzin und Wasser und Konserven und kaufen die Supermarktregale leer. Im Großraum Miami schließen nahezu alle öffentlichen Einrichtungen, der Flughafen von Key West ist bereits dicht. Der Notstand ist schon seit Tagen ausgerufen.
Und ansonsten? Warten sie hier mit dem Gottvertrauen und der Gelassenheit, die man vermutlich nur als Amerikaner haben kann. Niemand schreibt von Monsterstürmen. Und selbst die Frage danach, warum es gerade jetzt so viele Stürme gibt, warum erst „Harvey“ und nun „Irma“ und die nächsten beiden sich schon wieder über dem Atlantik zusammenbrauen, beantwortet die „New York Times“ lakonisch:
Der vermutlich amerikanischste Charakter bei „Breaking Bad“ ist Hank. Hank Schrader, Agent bei der Drogenpolizei DEA. Glatzkopf Hank kommt immer etwas breitbeinig und laut daher. Er lacht zu viel und zu derbe, trägt schreckliche Klamotten und glaubt fest an Law and Order und natürlich an die gottgesegneten Vereinigten Staaten von Amerika. So einer fährt nicht irgendein japanisches Auto und ein deutsches auch nicht. Der fährt amerikanisch. Einen GMC.
Ein GMC und Amerika, das ist erstmal: schiere Größe. Die Autoästethiker in Deutschland werden den GMC nur mäßig schön finden, was vermutlich auch der Grund dafür ist, dass man GMC auf unseren Straßen eher selten sieht. Trotzdem, schon vor dem Trip hierher war klar: Diesmal muss es ein GMC sein. Oder wie wir ihn seit der Buchung nennen: ein Hank-Schrader-Memorial-Car. Und zwar genauso: schwarz, wuchtig, einfach sehr amerikanisch.
Seit ein paar Tagen fahren wir jetzt den Schrader-Memorial-Car. Das Fahren hier, das ist auch so eine Sache, bei der die Amis jeglichen – vermeintlichen – Widerspruch in sich locker wegstecken. Auf der einen Seite habe ich hier eine 5-Liter-Karre mit enorm viel Kraft unter dem Hintern. Auf der anderen Seite bin ich auf der Interstate 95 runter nach Miami mal über 100 Meilen am Stück gefahren, ohne ein einziges Mal an der Einstellung des Tempomaten irgendwas zu ändern. 75 Meilen eingestellt, nicht einmal gebremst, nicht einmal zusätzlich Gas gegeben. Am Ende hatte ich eine Idee davon, wie sich irgendwann mal autonomes Fahren anfühlen muss.
Unser Hank-Schrader-Memorial-Car ist hier auch schon mehrfach in den direkten Vergleich mit einem Audi Q 5 und einem Porsche Cayenne geraten. Beide sind, glaube ich, ein bisschen kleiner.
Als halbwegs kultivierter Europäer und vernunftbegabter Mensch müsste man die meisten der nachfolgend geschilderten Dinge einfach nur grässlich finden. Man müsste sich empören über so viel Unvernunft, schlechten Geschmack und Unkultur. Hinweis: Falls Sie das tun und all diese Dinge jetzt mit den USA in Verbindung bringen, sollten Sie nicht weiterlesen.
Da ist beispielsweise diese Geschichte mit dem Essen. In Deutschland sind wir es inzwischen gewohnt, Essen auf jeden Mist hin abzuklopfen: Gluten, Laktose, Fett, Cholesterin. Ist das vegetarisch, idealerweise sogar vegan? Von glücklichen Hühnern, intelligenten Schweinen und Landwirten mit der politisch korrekten Einstellung?
Hier schert sich kein Mensch darum. Was Gluten ist, wissen in den USA vermutlich nur Wissenschaftler, den Begriff vegan habe ich hier noch nie gelesen und überhaupt: Zum Frühstück gibt´s Eier mit Bacon, dazwischen Pancakes und am Abend gerne einen Burger (falls man den nicht schon mittags hatte). Es wird zuckerhaltiges, euphemistisch „Softdrinks“ genanntes Zeug in Litermengen getrunken und dazu noch jede Menge Brownies und Cheesecakes gegessen. Lauter Sachen, die am besten mit einem Wort beschrieben sind: unvernünftig.
Ja, der Amerikaner ist unvernünftig. Aber so richtig. Er isst unvernünftiges Zeug. Er erzeugt Müll in Mengen, die bei uns nicht nur jeden halbwegs ökologisch interessierten Menschen erblassen lassen. Er fährt völlig idiotische Autos, das aber mit Leidenschaft. Die Kisten verbrauchen mühelos mal eben 15 Liter und stoßen Dreck aus, dass man sich wundert, warum sie bei VW und seinem Stinkediesel so pedantisch sind, wo es doch bei den Dreckmengen, die sie hier in die Luft pusten, auch nicht mehr drauf ankommt. Macht dem Ami auch deswegen nichts, weil hier der Sprit mit umgerechnet gut 50 Cent pro Liter immer noch sagenhaft günstig ist. Amerikaner selbst werden allerdings kaum müde, sich über die hohen Benzinpreise zu beschweren.
Der Irrsinn wird noch ein bisschen irrsinniger, wenn man weiß, dass hier 75 Meilen das absolute Tempo-Maximum auf den Straßen sind. Muss man sich mal vorstellen: Man hat eine 5-Liter-Maschine unter dem Hintern und schiebt die dann mit knapp 120 km/h über die Interstates, die hier derart breit ausgebaut sind, dass man sich wiederum wundern muss, was sie eigentlich immer alle haben mit diesen deutschen Autobahnen.
Was wir übrigens kopfschüttelnd Unvernunft nennen, ist für den Amerikaner einfach nur Freiheit. „Live free or die“, steht hier tatsächlich auf manchen Autoschildern. Der Amerikaner hat ein Radikalverständnis von Freiheit. Nämlich das, dass jeder alles tun und lassen kann, was er will, solange er andere zumindest nicht übermäßig schädigt. Deswegen kann hier jeder eine Waffe tragen und „Heil Hitler“ auf offener Straße schreien und sogar Donald Trump wählen.
Auf der anderen Seite heißt das aber auch, dass sich der Amerikaner in seiner Freiheit bereits eingeschränkt fühlt, wenn ihn der Staat zwingen will, eine Krankenversicherung abzuschließen. Amerikaner halten das Leben in Europa für ziemlich reguliert und unfrei und vermutlich sehen sie in Deutschland ein halbsozialistisches Land, in dem eine ältere Frau den Menschen vorschreibt, was sie zu tun haben.
Amerika heißt wiederum für mich: Immer, wenn ich da bin, kann ich komplett unvernünftig sein und Deutschland langweilig, piefig und überreguliert finden. Ich kann völlig unsinnige Dinge tun und muss mich dabei nicht mal vor mir selbst rechtfertigen.
Und jetzt geht es in den Diner. Frühstück. Oder besser: das, was die hier darunter verstehen.
Weil ich in meinem Leben schon ein paar Mal in den USA war und es insgesamt vermutlich auf etliche Monate Aufenthalt dort bringe, bilde ich mir ein, die USA besser zu kennen als der normale Durchschnitts-Tourist. Das bildet sich zwar jeder ein, der schon mal mehr gesehen hat als Miami Beach und den Times Square in New York. Aber das muss einen ja nicht von diesem Irrglauben abhalten.
Wobei das schon lustig ist: Wie soll man als Durchschnittseuropäer jemals ein Land „begreifen“, das nicht nur etliche Male größer, sondern auch der landgewordene Widerspruch ist? Es gibt in den USA nichts, wo nicht unmittelbar daneben der krassestmögliche Widerspruch existiert, meistens gleich nebenan. Trump folgt auf Obama, unfassbarer Reichtum lebt neben Armut, wie wir sie in unserer Vollkaskogesellschaft für kaum möglich halten.
Mein Buddy und Nachbar Anthony, seit Jahrzehnten in Deutschland lebend und immer noch durch und durch Amerikaner, hat mir im Vorfeld meiner kleinen nächsten Reise ein bisschen was über Hillbillys erzählt. Natürlich kannte ich den Begriff und natürlich lese ich diese viel empfohlene Hillbilly-Elegie von J.D. Vance gerade (Soweit ich das bisher gelesen habe, würde ich das Buch übrigens auch sehr zur Lektüre empfehlen).
Aber meine Vorstellung von Hillbillys war dennoch falsch. Sehr europäisch, sehr deutsch. Ich hatte bei dem Thema immer die Vorstellung eines eher kleinen Waldgebiets, wo dann ein paar noch nicht ganz im zivilisatorischen Alltag angekommene Menschen leben. So eine Art Bayerischer Wald auf amerikanisch. Eine Art Folklore. Menschen, die tatsächlich so rumlaufen wie bei uns die Hipster, nur dass sie tatsächlich wissen, wie man eine Axt schwingt. Und ihr Karohemd für ein paar wenige Dollar im nächsten Supermarkt kaufen.
Hillbillys, das weiß ich inzwischen, gibt es in Millionenzahl. Und ihr Verbreitungsgebiet ist ungleich größer als dieser dagegen betrachtet winzige Bayerische Wald. Hillbillys sind eine echte Größe in den USA. Eine Größe, die ich vermutlich mal wieder nicht zu sehen bekommen werde, weil ich am Ende des Urlaubstages dann doch nur ein bloody Tourist bin, dessen Bild der USA in erster Linie durch sehr hübsche, manchmal auch abenteuerliche Dinge geprägt ist, die mit dem amerikanischen Alltag nicht viel zu tun hat. Zumindest nicht mit dem der Hillbillys oder der beträchtlichen vielen Leute, die irgendwo tief im Süden an den Ufern des Mississippi leben. Oder im rust belt.
Diesen Alltag müsste man allerdings kennen, wenn man wirklich verstehen will, warum in den USA solche Dinge passieren, die bei uns undenkbar wären. Trump beispielsweise.
Noch 24 Stunden. Dann: Abflug nach Washington, danach weiter in den Süden. Für Donnerstag sind 39 Grad vorhergesagt.
Als ich das letzte Mal in den USA war, war das buchstäblich ein anderes Land. Es waren die letzten Tage von Barack Obama, Trump war bereits president elect und niemand wusste so ganz genau, was danach auf das Land zukommen würde. Was noch alles kommt, wissen wir auch heute nicht so genau. Außer, dass man bei Trump besser nichts ausschließen sollte. Und dass alle ein bisschen verkehrt lagen die meinten, so schlimm werde es dann schon nicht werden, es gebe ja schließlich ein sehr funktionierendes System von checks and balances. Ich hing diesem Glauben ebenfalls nach. Heute würde ich sagen: Schön blöd, wie man sich täuschen kann…
Wenn ich am Mittwoch wieder im Flieger sitze, dann geht es in ein Land, das mir in den letzten Monaten fremd geworden ist. Hey States, was ist los mit euch? Die Sache mit der Radikal-Toleranz und der nahezu grenzenlosen Meinungsfreiheit fand ich immer großartig; noch dazu, wenn man in einer konsensbemühten und ein wenig langweiligen Republik groß geworden ist. Und jetzt? Brüllen sie „Heil Hitler“ und anderen Bullshit und euer Präsident schaut zu und findet das gar nicht mal so schlimm.
Auf der anderen Seite: Das können nur die Amis und das muss man ja dann fast schon wieder bewundern – erst den Übercharismatiker Obama wählen und dann die größte Dumfbacke in der an Dumpfbacken bestimmt nicht armen Geschichte der USA.
Und je näher der Abflugtermin am Mittwoch kommt, desto optimistischer bin ich gerade wieder, auch wenn es, nüchtern betrachtet, dazu momentan nicht so rasend viel Anlass gibt. Sie werden es schon hinbekommen, diesen Irren im Weißen Haus zu überstehen. Danach wählen sie womöglich dann doch mal die erste Frau (nach gerade mal gut 250 Jahren) oder den jüngsten oder den ersten Latino oder irgendwas. Hauptsache nur: nicht langweilig, nicht merkelig, nicht schulzig.
Bis dahin gibt´s erst mal wieder alles was ungesund ist: Pancakes, Eggs mit Bacon, Burger. Wenn man nur alle paar Monate mal da ist, kann man es ganz wunderbar aushalten da.
Ok, gehen wir mal ein bisschen back in time. In diese Zeit der 80er Jahre, in denen ich großen geworden bin. Diese Jahre, die so verbohrt waren, dass sie mir trotz ihrer damals vorgegaukelten Toleranz so schwer und bleiern vorkommen, dass ich bei den heutigen Zeiten fast das Gefühl habe, so beschwingt und leicht habe es sich noch nie gelebt.
In diesen 80ern jedenfalls, die uns heute von jedem Dudelsender als eine unfassbar geile Zeit verkauft werden (Gottseidank wird auch das Publikum älter und man schaltet bei den Sendern allmählich auf die 90er um, die ja ebenfalls so unfassbar großartig waren) – in den 80ern also gab es etwas, was ich in meinem Umfeld immer als eine Mischung als Meinungsdiktatur und Gemütsterrorismus empfunden habe. Für irgendjemand, der gerade den Pubertäts-Quälereien entkommen war, war das eine echte Zwickmühle: Widerspruch zwecklos! „Man“ ist gegen Atomkraft, gegen Birne Kohl und die „Wende“, man ist ein bisschen links und ein bisschen öko und selbstverständlich nicht bereit, die Konsequenzen aus dieser Haltung tatsächlich auch zu ertragen. Alles in allem ist man ein wenig penetrant besserwisserisch, unangenehm belehrend und derart meinungsstark (und fest!), dass es beinahe schon wieder zum Fürchten ist.
Vermutlich leide ich heute noch ein wenig darunter. Ich ertappe mich gelegentlich, innerlich Haltung anzunehmen, wenn solche Menschen mit absoluter moralischer Unfehlbarkeit das Gefühl vermitteln, grundsätzlich auf der richtigen Seite zu stehen. Beim Widerspruch gegen einen moralisierenden Radfahrer tue ich mich deutlich schwerer als bei einer halbrechten Dumpfbacke. Meine eigenen gelegentlich konservativen Haltungen verteidige ich deutlich unentschlossener und defensiver als eine moralisch einwandfreie (doch, ja, solche habe ich auch, wenngleich vermutlich viel zu wenige). Dass wir zuhause ein Auto stehen haben, einen TDI mit fast 200 PS noch dazu, versuche ich regelmäßig mit mir selbst auszumachen. Ich ertappe mich dann bei albernen Rechtfertigungen, weil ich ja weiß: zu sagen, dass es einfach mehr Spaß macht, ein solches Auto zu fahren, ist irgendwie bäh. Geht gar nicht. Und natürlich weiß ich auch, dass es kein einziges vernünftiges Argument gibt, das auf meiner Seite ist. Dafür habe ich einen Elektro-Rasenmäher und fahre kurze Distanzen mit meinem neuen Rad (kein E-Bike!). Gibt das wieder ein paar Karma-Punkte, um mich vor der Vorhölle zu bewahren?
Falls ja: Ich werde sie dringend nötig haben. Weil es jetzt dann bald in den Urlaub geht. Eine Flugreise, eine Langstrecke, in die (festhalten!) USA. Das ist das Land, von dem meine alten 80er-Freunde vermutlich sagen werden, dass sie es schon immer gewusst haben: Sowas wie Trump kann nur in diesem Land passieren! In dieser gottlosen Wüste menschlicher Kultur, wo die Menschen komisches Zeug essen, flach und oberflächlich sind und dem wir fettige Burger, fette Bürger und die 2,5-Liter-Cola zu verdanken haben.
Deswegen jetzt erstmal die politisch-moralisch korrekte Haltung: Natürlich sind die USA ein Land, das sich inzwischen am Rande des politischen Ruins bewegen und ein Land, das einen Kommunkationschef hat, der so obszön daherredet, dass man es in einer halbwegs familienfreundlichen Zeitung nicht drucken und im Radio kaum senden kann, was man soll man dazu noch sagen? Die Amis fressen sich buchstäblich zu Tode mit ihren Burgern und Pancakes und ihrer Cola und außerdem amüsieren sie sich zu Tode, wie schon Neil Postman in den 80ern geschrieben hat. Mt ihrem ganzen Cable-TV-Kram, mit Fernseh-Hasspredigern und mit Fox News und Fernsehpfarrern. Es ist naheliegend, dass am Ende ein Mann Präsident wurde, der ein Produkt dieser Welt ist und der eine Show moderierte, deren Höhepunkt darin bestand, wenn er jemand „You are fired!“ hinterherrief. Die USA ist einer der ungerechtesten Welten, die man sich vorstellen kann und so etwas wie eine gesunde Mitte kennen sie dort auch nicht. Man ist entweder sagenhaft reich oder bitterarm, man ist schwarz oder weiß. Und einen größeren Gegensatz als Trump und Obama kann man sich auch kaum vorstellen.
Erstaunlicherweise leben sie dort immer noch ziemlich gut mit all diesen Dingen, die aus unserer mitteleuropäischen Sicht völlig unvorstellbar sind. Ebenso erstaunlich ist, dass es in den USA zumeist ausgesprochen freundlich zugeht. So freundlich, dass einem der Durchschnittsdeutsche auf einmal furchtbar miesepetrig vorkommen muss. Außerdem legt niemand den Begriff der Toleranz und der Freiheit so großzügig aus wie der Amerikaner, auch wenn er das manchmal auf seine sehr eigene Weise tut. Dort darf man beinahe alles tun und sagen was man will und allergrößten Respekt hat der Amerikaner vor denjenigen, die aus dieser Freiheit auch was machen. Wenn die USA das Land der unbegrenzten Möglichkeiten sind, dann ist Deutschland das Land der unmöglichen Begrenztheiten.
Vermutlich hat dieses Gefühl der Freiheit auch mit der Weite dieses Landes zu tun. Wenn man in paar Stunden auf einem amerikanischen Highway unterwegs ist, ohne allzu vielen Leuten zu begegnen, wenn man fährt und fährt und fährt, ohne dass die Fahrt ein Ende zu haben scheint, stellt sich automatisch dieses Freiheitsgefühl ein, das man wiederum kaum bekommt, wenn man auf einer deutschen Autobahn von, sagen wir, Nürnberg nach Kassel fährt.
Und deswegen ist das immer noch das größte Land der Welt für mich. Trotz Trump und „The Mooch“, trotz aller Dinge, die wir Deutsche nie verstehen und deshalb auch nie tun würden. Trotz Burgern, Bacon und Rühreiern zum Frühstück, mit Plastikbesteck und einer Unmenge von späterem Müll serviert, der konsequenterweise auch nicht getrennt, sondern irgendwo verbrannt oder vergraben und dann zumindest vergessen wird. (Außerdem habe ich eine echte, beglaubigte Heiratsurkunde aus den USA in meinem Besitz; nicht so einen Las-Vegas-Krempel, sondern so richtig und echt. Das verbindet, lebenslänglich sozusagen).
Im August (also: jetzt dann sehr bald) geht es wieder rüber. Und ich verspreche euch jetzt schon, dass ich euch wieder nerven werde, mit Fotos, Videos und Geschichten aus diesem einmaligen, verrückten, fürchterlichen und großartigen Land.