In Deutschland liest man Geschichten von Hurrikanen in den USA meistens mit einem wohligen Schauern. Das hat damit zu tun, dass Politiker hier zu viel markigeren Worten greifen, als es Frau Merkel oder Herr Scholz jemals täten. Hier ist ein Sturm schnell ein Monster und Statements werden schon mal mit dem Satz beendet: Gott schütze alle, die es nicht mehr rechtzeitig raus geschafft haben.
Wir haben es diesmal nicht mehr raus geschafft. Im Gegensatz zu 2017, da wurde unsere Unterkunft evakuiert. Von dem Hurrikan „Irma“ haben wir damals nur mitbekommen, dass er uns quasi immer gefolgt ist. Eingeholt hat er uns nicht, wir sahen nur ein paar dunkle Wolken im Rückspiegel und aus dem Fenster des Flugzeugs, das uns aus Florida rausgebracht hat.
Eine Evakuierung würde diesmal keinen Sinn haben. Bisher weiß man nur, dass „Dorian“ irgendwo an der Ostküste auf Land treffen wird. In Frage kommt ein Streifen, der fast so groß ist wie Deutschland. Davon abgesehen gibt es auch einige Meteorologen, die meinen, der Sturm pralle gar nicht an der Küste richtig auf Land, sondern entfalte seine ganze Kraft erst im Landesinneren. Gerade kam eine Breaking News, der Sturm drehe nach Norden Richtung Georgia ab. Potentiell, das lesen wir auch gerade, gebe es drei Möglichkeiten. Aus Kapazitätsgründen will ich sie nicht alle schildern. Sie laufen zusammengefasst auf eines raus: Man weiß ungefähr gar nichts.
Wie dem auch sei: Wir sitzen jetzt hier in Miami und erleben zum ersten Mal live mit, wie es so ist, wenn sich eine ganze Region, ein ganzes Land auf den Hurrikan vorbereitet.
Der ist erstmal nach wie vor ein abstraktes Konstrukt, weil er ja noch gar nicht da ist. Deswegen pendelt das Leben hier zwischen Business as usual und vorbereiten auf den Weltuntergang. Letzterer wird tendenziell eher von (sorry, Kollegen!) Medien betrieben als von der Wirklichkeit. Immer, wenn es in den USA zu Sturmwarnungen kommt, wird eine zuverlässig funktionierende Maschinerie angeworfen. Innerhalb von ein paar Tagen heißt es dann, man werde dem Erdboden gleich gemacht. Kein Wunder, dass viele Amerikaner diese Warnungen nicht mehr so ernst nehmen wie sie es vielleicht doch tun sollten.
Geht man jedenfalls an diesem Wochenende durch Miami, dann spürt man eine Gelassenheit, die zum einen mit amerikanischer Lässigkeit auf der einen und den Erfahrungen mit den Stürmen auf der anderen Seite. Nicht umsonst spricht man hier von der „Hurrican Season“. Kommt immer wieder, so wie Weihnachten und Ostern. Manchmal stärker, manchmal weniger.
Trotzdem ist es interessant, so was mal mitzunehmen. Weil so ein Hurrikan trotz alledem natürlich immer noch ein potenziell lebensbedrohliches Schauspiel ist. Das aus Naturgewalten besteht, die man sich bei uns kaum vorstellen kann. Nächstes Mal, wenn Bild & Nörgel-Bürger wieder etwas von Hitze, Regen oder Schnee in Deutschland erzählen und jammern, wie furchtbar alles ist, werde ich dran denken.
Und jetzt wieder zurück in die Küche. Ich vermute, wir braven Deutschen haben viel zu viele Vorräte für den anstehenden Überlebenskampf eingekauft. Ein paar davon können weg.