Vor Kurzem hat ein mir bekannter Mensch meiner Altersklasse geseufzt, er sei froh, wenn jetzt langsam die jüngere Generation die Verantwortung für mehr oder weniger die gesamte Gesellschaft übernehme. Seine und somit auch meine Generation habe schließlich in den letzten Jahrzehnten auf nahezu alles die falschen Antworten geliefert, da sei es nur folgerichtig, wenn wir alten Totalversagersäcke langsam abtreten.
Ich musste an den großartigen Loriot denken, der in einer Szene von „Papa ante portas“ lakonisch fragt: Reicht es, wenn ich mich in Luft auflöse?
Das scheint gerade sehr angesagt zu sein bei Menschen meines Alters: Die Jungen bei ihrer Revolution zu unterstützen, wobei es mittlerweile schon als Revolution durchgeht, wenn man freitags nicht zur Schule geht. Ist doch prima, wenn die Jungen so was machen, sagen die neuen Schluffi-Alten und schreiben dem Nachwuchs eine Entschuldigung, damit beim Schulstreik schon alles seine Ordnung hat. Schulstreik-Greta wird unterdessen als das neue Vorbild für uns Alte gepriesen, hat bereits einen Ehrendoktor und gilt als ernsthafte Kandidatin für den Friedens-Nobelpreis.
Ich bin mir nicht sicher, aber möglicherweise handelt es sich dabei um die subtilste Form der Unterdrückung, die sich eine junge Generation jemals gefallen lassen musste. Unterdrückung durch Kopftätscheln, sozusagen. Wir sagen ihnen dauernd, wie toll sie sind, schreiben die Entschuldigungen für den Schulstreik und halten sie damit komplett unter Kontrolle. Zu einem ordentlichen Aufstand gehört auch Widerstand, gegen den man kämpfen muss. Indem wir den blauhaarigen Rezos und Julias und Gretas unserer Tage den Widerstand komplett verweigern, können sie uns nix mehr, so einfach ist das.
Ich habe keine Ahnung, ob diese Theorie nicht völlig idiotisch ist; vermutlich schon. Ich finde nur keine andere Erklärung für das absurde Schauspiel dieser Tage: Mittelstands-Eltern einer liberal-urbanen Wohlstandsgesellschaft, irgendwo in den 40ern und 50ern ihres Lebens angesiedelt, versichern den lieben Millenial-Kids, denen man gerade noch ihre Trägheit und ihr Desinteresse an ungefähr allem vorgeworfen hatte, wie geil sie sind. Helikopter-Parenting, die Fortsetzung des Eltern-Taxis mit anderen Mitteln: Soll ich dich zum Schulstreik fahren, Torben-Hendrik?
Dafür können die Torben-Hendriks und Annalenas unserer Tage natürlich nix, außer, dass sie vielleicht das tun können was ungefähr Millionen Generationen vorher auch getan haben: Uns Alten zu sagen, wir sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst. Ich meine, wo sind wir denn gelandet in unserer Mittelstands- und Mittelmaß-Langeweile, wenn wir jetzt nicht mal mehr einen ordentlichen Generationen-Konflikt hinbekommen? Doch, so was brauchen wir, ich finde jedenfalls eine Generation, bei der blaue Haare schon als aufmüpfig gelten, in ihrer ganzen Ödnis beängstigender als eine, die ordentlich rebelliert.
Umgekehrt finde ich allerdings unsere Generation mindestens ebenso trübe, wenn sie jetzt schwanzeinziehend vom Hof schleicht und sagt: Ihr habt ja so recht, wir haben es verbockt. Das macht man nicht, grundsätzlich nie, so viel Stolz und Selbstbewusstsein darf man haben. Und außerdem werfe ich mich nicht vor einer Generation in den Staub, die zwar irgendwas von Klima faselt, ansonsten aber den Billigflug-Städtetrip für 29 Euro erst so richtig kultiviert hat. Das steht hier übrigens absichtlich so, weil ich glaube, dass allzu viel Harmonie zwar irgendwie kuschelig ist, bei einem echten Problem aber niemanden so recht weiterbringt.
Davon abgesehen: Fürs Altenheim fühle ich mich noch deutlich zu fit, für außerordentlichen Respekt vor jüngeren Generationen hat sie mich noch nicht genügend beeindruckt, mich in Luft aufzulösen, weil ich alt, weiß, männlich bin, könnt ihr vergessen.
Wenn ihr was wollt von uns, dann kämpft. Kleiner Pro-Tipp: Kämpfen ist was anderes, als ein paar launige Tweets und Videos abzusetzen.