Ein Loblied auf alte, weiße Männer (und ihre grandiosen Frauen)

Jaja, ich weiß: wir weißen, alten Männer. Schuld an allem. Dauersabbernd, Schlechtwitzreißer. Übergriffig, selbstverliebt, unsensibel. Noch irgendwas vergessen? Bestimmt. Fassen wir es also zusammen: Wenn es irgendwas gibt, was gerade blöd läuft, einfach auf uns abladen. Der Widerspruch wird gering sein. Schon alleine deswegen, weil wir uns gar nicht mehr trauen zu widersprechen, weil es sonst heißen würde: typisch weißer alter Mann! Reicht es, wenn wir uns in Luft auflösen?

Jetzt, so stellt eine schlaue Autorin in der NZZ fest, betrifft uns auch noch ein Phänomen, über das sonst nur Frauen über 50 klagen. Wir werden unsichtbar. Zumindest für jüngere Generationen und da wieder in erster Linie für jüngere Frauen. Die schauen, heißt es da, meistens angeekelt weg, wenn sie von uns angeschaut werden. Was nachvollziehbar ist. Wer will schon gerne von einem sabbernden weißen alten Mann angesehen werden?

Alter weißer Mann. Symbolbild (Foto: Pixabay)

Einer aus unserer Generation wird im Text so zitiert:  «Man bekommt im Alter nicht einmal die Chance, zu zeigen, dass man nicht ist wie all die anderen, deren Gier die Frauen jeden Tag begegnen. Es gibt keine Möglichkeit, nicht als lüstern wahrgenommen zu werden, weil jeder Blick ihnen als Bestätigung ihres Ekels gilt.» Unausgesprochen würden ihm die Frauen unterstellen, etwas von ihnen zu wollen oder gleich über sie herzufallen – als hätte er ihre Beachtung nötig.

Mag sein. Aber das ist aktuell kein Problem von uns alten weißen Männern mehr. Höchstens, dass sich das grundsätzliche Problem noch ein bisschen verschärft. Ein Mann, der Frauen offensiv anschaut, ist schon schlimm. Ein alter (weißer) Mann, der so was macht, ist eine Vollkatastrophe.

Trotzdem würde ich gerne was loswerden. Zwei Sachen sogar.

Das Erste: Ich sag das gerne der 16-jährigen daheim, wenn es um das manchmal nicht ganz einfache Verhältnis zwischen den Generationen geht. Klar können Teenager uns Alte doof finden. Vor allem dann, wenn wir ihre Eltern sind. Sie sollten dabei aber immer in Erwägung ziehen, dass es umgekehrt auch so sein könnte. Teenager sind manchmal die Hölle. Das Doof-Finden funktioniert auch in die umgekehrte Richtung.

Bevor also eine Frau irgendwo in den Zwanzigern meint, wir müssten junge Frauen toll finden, weil sie jung sind: Denkt darüber nach, ob wir euch nicht auch einfach langweilig finden könnten. Vor allem wegen meiner eigenen Frau würde ich hier an dieser Stelle gerne ein gigantisches Loblied auf Frauen deutlich jenseits dieser 20somewhat singen.

Meine Frau ist eine Frau. Eine echt tolle und eine richtige vor allem. Ganz ehrlich. Zu den übelsten Dingen, die man uns Männern jenseits der 40 oder (in meinem Fall) 50 nachsagt ist, wir würden junge Frauen generell toll finden. Alleine deswegen, weil sie jung sind. Das ist nebenher auch noch eine fatale Beleidigung aller Frauen über 40. Also, Mädels irgendwo in den Zwanzigern: Zieht in Erwägung, dass wir Alte euch genauso doof finden könnten wie ihr uns.

Und zweitens: Ich schau mir gerne Leute an. Frauen genauso gerne wie Männer. Nein, nicht sabbernd. Ich habe unlängst in München einen Typen gesehen, bei dem ich mir dachte: interessantes Konzept. Das denke ich mir manchmal auch bei Frauen, bei jungen und alten gleichermaßen. Ich schaue mir gerne Menschen an, weil ich sie generell interessant finde.

Selbstverständlich stiere ich sie nicht an, im Normalfall ist mein Interesse an einer Person, der ich flüchtig begegne, schnell wieder vorbei. Ich würde trotzdem gerne weiter Menschen anschauen können, ohne mir wie ein Sittenstrolch vorzukommen. Ich finde es ja schon absurd genug, dass ein derart simpler Vorgang gerne in die Geschlechterdebatte eingebracht und neuerdings auch unter Altersvorbehalt gestellt wird. Alter, weißer Mann schaut sich Menschen an, womöglich auch noch Frauen? Aufschrei!

Selbstverständlich dürfen Sie mich total doof finden. Aus einer ganzen Reihe von Gründen. Nur, dass ich alt, weiß und männlich bin, das sind die blödesten Gründe, die man sich denken kann.

Der Schnee, der Habeck und andere Nichtigkeiten

Eine Katastrophenwoche, ich sage es euch! Wir sind umzingelt von Naturkatastrophen, unfähigen Politikern und überhaupt einer Welt, die irre geworden ist. Habeck beispielsweise, ja genau: der twitterlose Habeck! Will irgendwann Regierungsverantwortung übernehmen und rennt weg beim ersten lauen Social-Media-Lüftchen!

Und dann erst der Winter, dieser Winter!

So könnte ich weitermachen, mit ordentlich Schaum vor dem Mund und der Verwendung von Ausrufezeichen im Text, die ungefähr das Adäquat zum Schaum vor dem Mund ist.

Aber soll ich euch was sagen? Je mehr ich mich in mein sechstes Lebensjahrzehnt hineinbewege, desto entspannter sehe ich das alles. Nee, nicht so im Sinne von: Mir ist alles wurscht! Mir ist nur wurscht, was nicht von Belang ist. Schnee im Winter beispielsweise. Das ist absolut nicht von Belang. Ob Habeck twittert oder nicht, dagegen ist sogar der Schnee ein abendfüllendes Thema.

Schon klar, ich weiß: In diesen vollidigitalisierten Zeiten geht das mit der Aufregung ganz schnell. Alle sind immer aufgeregt. Ständige Dauerempörung auf allen Kanälen, da kann man gar nicht anders, als sie als einfach ermüdend zu finden.

Vermutlich gibt es in diesem meinem Alter nur zwei Möglichkeiten. Entweder man wird von buddhistischer Gelassenheit, man muss ja nicht gleich die optische Anmutung von Helmut Kohl übernehmen. Oder man wird zu einem dieser älteren, wütenden und meistens weißen Männern, die sich so in ihren Verfolgungswahn hineinsteigern, dass ihnen am Ende nichts anderes übrig bleibt, als Gauland, Weidel und Storch als die letzte verbliebene Möglichkeit zur Rettung des Abendlandes und seiner selbst zu sehen. Weil das aber keine Alternative sein kann, weder für Deutschland noch für einen selbst, empfiehlt sich die Sache mit der Gelassenheit.

Was im Grunde ganz einfach ist. Weil es fast nichts mehr gibt, was wir älteren Menschen nicht schon mal gesehen haben. Chaos-Winter? Zum Fiepsen. Ich konnte mal als Kind zwei Wochen nicht zur Schule gehen, weil wir erstens aus unseren eingeschneiten Käffern nicht mehr rauskamen und weil zweitens die Schulen eh alle zu waren. Habeck will nicht mehr twittern? So what, in der persönlichen Bedeutungsskala ist das schon jetzt kaum mehr auffindbar und am Ende des Jahres 2019 findet sich das in keinem Jahresrückblick wieder. Und schau an, schon fühlt sich das ganze Leben ein bisschen leichter an. Wenn man erst mal begriffen hat, dass das allermeiste und gottseidank auch die Allermeisten (Menschen) und auch man selbst nur vorübergehende Phänomene sind: Ich bin 54, nein eigentlich 18 und kaum etwas könnte mir egaler sein als Schnee.


Heute ist mein 18. Geburtstag

Ich habe heute Geburtstag. Der Kalender will mir einreden, es sei mein 54. Aber das ist absoluter Unsinn. Tatsächlich ist es mein 18. Geburtstag. Glauben Sie nicht? Ist aber so, ganz im Ernst.  

Die 16-Jährige daheim hat mich unlängst mit der Feststellung beglückt, mein Leben sei ja bald vorbei, während ihres erst so richtig losgehe. Ich vermute, sie meinte das nicht böse. Sondern eher als Feststellung, die grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen ist.

Tatsächlich fällt Menschen in den 50ern ihres Lebens irgendwann auf, wie sich die eigenen Grenzen nach hinten verschieben. Man hat den 60. Geburtstag im Auge, weil man ja erst ab diesem Tag wirklich alt ist. Oder halt, nehmen wir den 65. Das ist Rentenalter und ab dann gehört man zu den Senioren. Und wenn wir schon dabei sind, können wir das auch gleich auf den 70. verschieben. 70, das ist ok, ab da ist man alt. Was den Vorteil mit sich bringt, dass man bis dahin noch etwas Zeit hat.

Alt, das sind immer nur die anderen.

Ich gebe zu, mich bis zum heutigen Tag mit solchen Gedankenkonstrukten über Wasser gehalten zu haben. Was leidlich funktioniert hat, der Mensch ist schließlich in nichts so gut wie im gepflegten Selbstbetrug.

Inzwischen bin ich also laut Kalender 54. Das ist insofern ungünstig, weil der Abstand zu ersten Alters-Brandmauer geringer wird und man ja weiß, was sechs Jahre sind. Gemessen an dem, wie schnell die Zeit vergeht: nix.

Weswegen ich beschlossen habe, jetzt erst mal meinen 18. Geburtstag zu feiern. Endlich volljährig und erwachsen, wenn das mal kein Grund für eine geile Party ist! Der Gedanke ist übrigens nicht so abwegig, wie Sie jetzt möglicherweise annehmen. Männer werden nämlich erst mit 54 so richtig erwachsen. Habe ich jetzt gelesen, ganz im Ernst. Hat irgendeine Studie ergeben. Gut, das muss nichts bedeuten, weil jeden Tag Studien auf den Markt kommen, die irgendwas behaupten. Meistens ist es das, was die Auftraggeber lesen wollen. Ob das auch für Frauen gilt, weiß ich nicht, ich glaube aber nicht. Frauen sind immer schon reifer gewesen als Männer. Da wäre es ein Witz, würden sie erst mit 54 erwachsen.

Wir Männer hingegen sind echte Spätzünder. Das wissen wir im Grunde seit der Pubertät, in der es damit losging, dass uns die Mädchen immer ein gutes Stück voraus waren. Daran ändert sich nicht viel, nicht mal dann, wenn wir 40 sind. Mit 40 sind wir immer noch verunsicherte Hosenscheißer. Schreibt zumindest diese Studie, auch wenn sie es eleganter formuliert. Bis wir 54 werden, plagen uns Ängste. Vor sozialem Abstieg, davor, nie eine gescheite Frau zu finden, vor Übergewicht und Haarausfall. Das ist eine ziemlich lange Zeitspanne, in den meisten Fällen über die Hälfte des Lebens.

Mit 54 ändert sich das. Ich habe keine Ahnung, wieso ausgerechnet mit 54. Ich weiß auch nicht, wie sich das bemerkbar macht und was die Gründe dafür sind. Vielleicht sind uns Übergewicht und Haarausfall einfach egal, was in einigen Fällen daran liegen könnte, dass eh nichts mehr zu retten ist. 

Man könnte aus diesem neu erwachten Pragmatismus aber auch was mitnehmen. Nicht nur, dass man ein Reframing vornimmt, wie Design Thinker das nennen würden. Nicht sich also einfach nur vornehmen, den 54. Geburtstag zum 18. umzufirmieren. Sondern das tatsächlich mit Konsequenzen: sich also fühlen und benehmen wie ein junger Erwachsener, der gerade den Stress der Pubertät hinter sich gelassen hat, endlich vernünftig zu leben beginnt und das mit allen Freiheiten und Energien, die man mit 18 so hat (ideralerweise aber nicht mit dem Verstand eines 18jährigen, da ist man mit dem Hirn eines mittelalten Mannes deutlich besser dran).

Ganz davon abgesehen habe ich vor kurzem noch eine Studie gelesen (man liest viele Studien in meinem Alter, müssen Sie wissen). Demnach hat man mit Bewohnern eines Seniorenheims einen Versuch unternommen, in dem sie als Erstes ihr Alter vergessen sollten.  Im zweiten Schritt sollten sie sich zurückversetzen in die Zeit, in der sie jung waren. Dementsprechend hörten sie Musik aus dieser Zeit, sahen Schwarz-Weiß-Filme und setzten sich dem ganzen neuen Kram nicht mehr aus. Warum auch der Stress, wenn man nicht mag?

Und was kam heraus? Mit den betagten Herrschaften ging es schnell und spürbar aufwärts, sogar von Fremden wurden sie im Schnitt schnell für ein paar Jahre jünger geschätzt, als sie tatsächlich waren.

Deshalb: Danke für die Glückwünsche zum 18.! Endlich erwachsen, endlich tun und lassen können, was einem gefällt. Hat ja auch lange genug gedauert.

Höchste Zeit, nichts mehr zu versäumen!