Jaja, ich weiß: wir weißen, alten Männer. Schuld an allem. Dauersabbernd, Schlechtwitzreißer. Übergriffig, selbstverliebt, unsensibel. Noch irgendwas vergessen? Bestimmt. Fassen wir es also zusammen: Wenn es irgendwas gibt, was gerade blöd läuft, einfach auf uns abladen. Der Widerspruch wird gering sein. Schon alleine deswegen, weil wir uns gar nicht mehr trauen zu widersprechen, weil es sonst heißen würde: typisch weißer alter Mann! Reicht es, wenn wir uns in Luft auflösen?
Jetzt, so stellt eine schlaue Autorin in der NZZ fest, betrifft uns auch noch ein Phänomen, über das sonst nur Frauen über 50 klagen. Wir werden unsichtbar. Zumindest für jüngere Generationen und da wieder in erster Linie für jüngere Frauen. Die schauen, heißt es da, meistens angeekelt weg, wenn sie von uns angeschaut werden. Was nachvollziehbar ist. Wer will schon gerne von einem sabbernden weißen alten Mann angesehen werden?
Einer aus unserer Generation wird im Text so zitiert: «Man bekommt im Alter nicht einmal die Chance, zu zeigen, dass man nicht ist wie all die anderen, deren Gier die Frauen jeden Tag begegnen. Es gibt keine Möglichkeit, nicht als lüstern wahrgenommen zu werden, weil jeder Blick ihnen als Bestätigung ihres Ekels gilt.» Unausgesprochen würden ihm die Frauen unterstellen, etwas von ihnen zu wollen oder gleich über sie herzufallen – als hätte er ihre Beachtung nötig.
Mag sein. Aber das ist aktuell kein Problem von uns alten weißen Männern mehr. Höchstens, dass sich das grundsätzliche Problem noch ein bisschen verschärft. Ein Mann, der Frauen offensiv anschaut, ist schon schlimm. Ein alter (weißer) Mann, der so was macht, ist eine Vollkatastrophe.
Trotzdem würde ich gerne was loswerden. Zwei Sachen sogar.
Das Erste: Ich sag das gerne der 16-jährigen daheim, wenn es um das manchmal nicht ganz einfache Verhältnis zwischen den Generationen geht. Klar können Teenager uns Alte doof finden. Vor allem dann, wenn wir ihre Eltern sind. Sie sollten dabei aber immer in Erwägung ziehen, dass es umgekehrt auch so sein könnte. Teenager sind manchmal die Hölle. Das Doof-Finden funktioniert auch in die umgekehrte Richtung.
Bevor also eine Frau irgendwo in den Zwanzigern meint, wir müssten junge Frauen toll finden, weil sie jung sind: Denkt darüber nach, ob wir euch nicht auch einfach langweilig finden könnten. Vor allem wegen meiner eigenen Frau würde ich hier an dieser Stelle gerne ein gigantisches Loblied auf Frauen deutlich jenseits dieser 20somewhat singen.
Meine Frau ist eine Frau. Eine echt tolle und eine richtige vor allem. Ganz ehrlich. Zu den übelsten Dingen, die man uns Männern jenseits der 40 oder (in meinem Fall) 50 nachsagt ist, wir würden junge Frauen generell toll finden. Alleine deswegen, weil sie jung sind. Das ist nebenher auch noch eine fatale Beleidigung aller Frauen über 40. Also, Mädels irgendwo in den Zwanzigern: Zieht in Erwägung, dass wir Alte euch genauso doof finden könnten wie ihr uns.
Und zweitens: Ich schau mir gerne Leute an. Frauen genauso gerne wie Männer. Nein, nicht sabbernd. Ich habe unlängst in München einen Typen gesehen, bei dem ich mir dachte: interessantes Konzept. Das denke ich mir manchmal auch bei Frauen, bei jungen und alten gleichermaßen. Ich schaue mir gerne Menschen an, weil ich sie generell interessant finde.
Selbstverständlich stiere ich sie nicht an, im Normalfall ist mein Interesse an einer Person, der ich flüchtig begegne, schnell wieder vorbei. Ich würde trotzdem gerne weiter Menschen anschauen können, ohne mir wie ein Sittenstrolch vorzukommen. Ich finde es ja schon absurd genug, dass ein derart simpler Vorgang gerne in die Geschlechterdebatte eingebracht und neuerdings auch unter Altersvorbehalt gestellt wird. Alter, weißer Mann schaut sich Menschen an, womöglich auch noch Frauen? Aufschrei!
Selbstverständlich dürfen Sie mich total doof finden. Aus einer ganzen Reihe von Gründen. Nur, dass ich alt, weiß und männlich bin, das sind die blödesten Gründe, die man sich denken kann.