Freund K. sagt immer, ich solle mich nicht aufregen, wenn es um die Deutsche Bahn geht. Weil sie erstens gemessen beispielsweise an Indien oder Tadschikistan einigermaßen gut funktioniere und weil Bahn-Bashing zweitens einigermaßen billig ist. Bei letzterem muss ich ihm Recht geben.
Auf die Bahn draufzuhauen ist der einfachste Sieg, den man bekommen kann. Es wird kaum jemanden geben, der ernsthaft widersprechen will. Nicht mal mehr die Bahn selber tut das. Letztes Jahr beispielsweise hat sie ihr selbst ausgerufenes Pünktlichkeitsziel kurz vor Jahresende wieder kassiert. Als sie gemerkt hat, dass es einfach nicht mehr zu halten ist, gab es kein Ziel mehr.
Nebenbei bemerkt war es mit 80 Prozent pünktlicher Züge ohnehin nicht sehr ambitioniert, wobei man – nochmal nebenbei bemerkt – festhalten muss, dass die Bahn es mit der Definition von Pünktlichkeit ungefähr so hält wie mit dem Pünktlichkeitsziel. Es wird solange gedreht und gedrechselt, bis es passt. Pünktlich ist bei der Bahn nämlich alles, was weniger als sechs Minuten Verspätung hat. Das klingt erstmal etwas beckmesserisch, wenn man das kritisiert. Kann aber in der Praxis bedeuten, dass man einen Anschlusszug verpasst, obwohl man gerade in einem pünktlichen Zug sitzt. Also, bahn-pünktlich sozusagen.
Aber lustig ist das schon, die Vorstellung, wir wären alle Bahn: Wir könnten also als ambitionierte Hobby-Sportler jedes Trainingsziel wieder einkassieren, das ohnehin schon großzügig angelegt war. Bei der Diät gilt künftig eine Gewichtszunahme von fünf Kilo pro Jahr irgendwie noch als ok und ernste Konsequenzen ziehen wir erst, wenn wir kurz vor dem Exitus stehen. Dann kündigen wir an, nächstes Jahr nahezu jeden Weltrekord brechen zu wollen. Kann aber dann nur passieren, dass wir nach sieben Minuten kollabieren, so wie die ersten ICE-Züge auf der neuen Schnellstrecke zwischen München und Berlin. Die ersten Fahrten waren dort genauso langsam wie früher und der eine oder andere Zig hat sein Ziel erst gar nicht erreicht.
Mittlerweile ist die Bahn noch verlässlicher geworden. Ich habe in diesem Jahr bisher drei längere Zugreisen gemacht, keine davon endete auch nur im Ansatz wie geplant. Die erste Bilanz eines Zugjahres, das ja nun doch schon gut zwei Wochen alt ist:
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- 1 Zug, der erst nur noch mit 100 km/h fahren konnte, dann entsprechend Verspätung hatte und dann irgendwann endgültig in Stuttgart abgestellt wurde. Ok, eigentlich hätte er noch bis Basel weiterfahren sollen, aber man soll ja nicht Zuviel verlangen.
- 1 Zug mit einer Stunde Verspätung und dem damit verbundenen leicht hektischen Check-In beim anschließenden Weiterflug.
- 1 Zug mit einem halbwegs großzügig kalkulierten Umstieg von einer Viertelstunde, der am Ende nur noch unter Einsatz aller erlaubten und manchmal auch unerlaubten Mittel zu erwischen war.
Es wäre vermutlich ziemlich lustig, würde man so eine Liste mal ein Jahr lang konsequent führen und sie dann am Ende des Jahres an die Bahn schicken. Das ist vermutlich aber aussichtlos, in einem Unternehmen, in dem gefühlt in vier von drei Zügen entweder die Wagenreihung nicht stimmt, die Türen kaputt sind, es keinen Kaffee mehr gibt oder…ach, lassen wir das.
Echt, ich würde die Bahn wirklich gerne mögen. Weil ich viel lieber in einem Zug sitze als in einem Auto auf einer überfüllten Autobahn. Aber solange der Alltag so ist wie er ist – führe ich lieber meine Liste fort und lache dann am Ende im stillen Kämmerlein.