Wir Mitteleuropäer sind, wenn es ums Wetter geht, elende Zivilisationsmemmen. Wenn es länger als eine Stunde regnet, wenn es mal ein bisschen kälter oder auch etwas wärmer ist, es dauert nicht lange, bis zuverlässig jemand heult. Bevorzugt der Wettermann der „Bild“: Eiswinter, Saharahitze, Monsterstürme. Soll es demnach alles bei uns geben. Das sind in etwa unsere Vorstellungen von der wilden Natur.
Man muss dazu wissen, dass nach mitteleuropäischem Empfinden der Eiswinter bei etwas unter null Grad und die Saharahitze bei 30 Grad anfängt, der Monstersturm wiederum beginnt bei allem, wo Zweige von Bäumen abgeknickt werden. Das ist prinzipiell schon in Ordnung so, vor allem wenn man in Mitteleuropa aufgewachsen ist. Man ist dann reichlich verzärtelt und weiß nur aus dem Fernsehen, dass es auch ganz anders sein kann.
Hier in Südflorida warten die Menschen gerade auf etwas, was man tatsächlich Monstersturm nennen kann. „Irma“ ist einer der stärksten Stürme, die jemals gemessen wurden und hat jetzt schon einige Rekorde gebrochen (Amerikaner lieben es prinzipiell, in Rekorden zu denken). Die Verwüstungen draußen auf dem Meer und auf den bisher getroffenen Karibik-Inseln sind so, dass man froh sein sollte, wenn man hier einigermaßen heile rauskommt.
Und was machen die Leute? „Das wird wirklich schlimm, sehr schlimm“, erzählt mir einer im Diner beim Frühstück und sagt das in einem Ton, als erzähle er gerade davon, dass er am Wochenende dringend den Rasen mähen muss. Man sei das ja schon ein bisschen gewohnt hier, aber dieser Sturm mache sogar die Floridianer leicht nervös, sagt mir wiederum eine Frau an der Hotelrezeption. Vom selben Hotel, das seinen Gästen gerade eben noch dringend ans Herz gelegt hat, die Gegend zu verlassen, so lange es noch geht. Wie schlimm es denn werde, frage ich. Viel, antwortet sie, werde „Irma“ nicht von Sanibel Island übriglassen.
Unterdessen: Menschen vernageln ihre Häuser, besorgen sich Benzin und Wasser und Konserven und kaufen die Supermarktregale leer. Im Großraum Miami schließen nahezu alle öffentlichen Einrichtungen, der Flughafen von Key West ist bereits dicht. Der Notstand ist schon seit Tagen ausgerufen.
Und ansonsten? Warten sie hier mit dem Gottvertrauen und der Gelassenheit, die man vermutlich nur als Amerikaner haben kann. Niemand schreibt von Monsterstürmen. Und selbst die Frage danach, warum es gerade jetzt so viele Stürme gibt, warum erst „Harvey“ und nun „Irma“ und die nächsten beiden sich schon wieder über dem Atlantik zusammenbrauen, beantwortet die „New York Times“ lakonisch:
Why? It´s the Season…