Natürlich dürft ihr, wenn ihr euch für Fußball interessiert, leidenschaftliche Hasser von 1860 München sein. Ihr dürft sie mit aller Häme überschütten, zu der ihr fähig seid. Oder sie einfach nur belächeln. Aber bevor ihr das tut, lest diesen Text. Nicht, dass es euch auch mal so geht…
Irgendwann mal muss sich Hasan Isamik gedacht haben: Mist, gerade mal Mitte 30 und schon keine echten Ziele mehr im Leben. Der erste Milliardär Jordaniens (heißt es) und der jüngste sowieso. Vermutlich alles gekauft, was man mit angeblichen 1,5 Milliarden kaufen kann. Autos, Yacht, Flugzeuge, Häuser. Angeblich hat er sogar zwei Moscheen gebaut. Was also macht man, wenn man zudem im Konzert mit den anderen großen Jungs mitspielen will?
Man kauft sich einen Fußballverein. Hat man jetzt angeblich so.
Also sah sich Ismaik um, hörte irgendwas von München und Deutschland und einem Verein, der die Hilfe eines jordanischen Milliardärs gerade gut gebrauchen konnte, weil ihm sonst nämlich niemand mehr, der auch nur halbwegs bei Verstand war, noch helfen wollte.
Das neue Dreamteam also: ein beinahe restlos ramponierter Verein und ein ahnungsloser und erstaunlich naiver Investor. Die perfekte Geldverbrennungsmaschine.
Für Ismaik stand in den letzten sechs Jahren schnell fest, woran der ausbleibende Erfolg lag: Man ließ ihn einfach nicht so machen, wie er wollte (und wie er es aus seinem eigenem Imperium vermutlich gewohnt ist). Deswegen fand der Jordanier mindestens einmal pro Jahr, es müsse sich dringend etwas ändern. We need a new Sportchef, sagte er irgendwann mal. Und außerdem: a new Coach, a new President, a new Stadium. Man darf davon ausgehen, dass in den letzten Jahren immer wieder jemand versucht hat, Ismaik und seine Ahnungslosigkeit zu bremsen. Aber das sagt sich leicht, wenn man an dessen Tropf als Geldgeber hängt.
Weswegen Ismaik immer weiter machen durfte.
In dieser Zeit heuerte und feuerte der Verein, maßgeblich auf Druck Ismaiks:
10 Trainer, 9 Geschäftsführer, 7 Vizepräsidenten und 5 Präsidenten (keine Garantie auf Vollzähligkeit).
Geld alleine schießt keine Tore. Man braucht schon auch noch ein bisschen Hirn dazu. Bei den Löwen ist die einzigartige Mischung entstanden, mit der mit unglaublich viel Geld und unfassbar wenig Hirn Unmengen von Geld verbrannt worden sind. Angeblich hat der Investoren-Scheich bislang rund 60 Millionen versenkt. Dazu kommt ein vermutlich weiterer zweistelliger Betrag, wenn er wenigstens in der 3.Liga weiter mitspielen möchte (danach schaut es momentan aber eher nicht aus).
Woher das kommt? Alleine in diesem Jahr hat der Verein den dritt-teuersten Kader der 2. Liga gehabt. Vor der Saison und in der Winterpause wurden vermutlich alle Resterampen dubioser Spielerberater leergekauft. Die können ihr Glück vermutlich bis heute nicht fassen, wenn sie auf ihr Konto schauen und feststellen, dass sie für irgendwelche Ladenhüter aus der 2. portugiesischen Liga Millionensummen kassiert haben.
Glückwunsch übrigens in diesem Zusammenhang für den rekordverdächtigen Transfer eines gewissen Frank Boya: Der Mann hat angeblich im Winter gemeinsam mit der Nationalmannschaft Kameruns den Afrika-Cup gewonnen und wurde deshalb gleich mal eingekauft. Laut Wikipedia kam er direkt vom Weltverein Apejes FC de Mfou aus Yaoundé. Bestätigen kann dies in München leider niemand, weil Boya nie auf dem Platz gesehen wurde und es auf genau null (!) Einsatzminuten brachte. Immerhin soll er nicht so gekostet haben wie der Brasilianer Ribamar, der es bei einer Ablöse von drei Millionen nicht auf ein einziges komplettes Spiel brachte und vor der Relegation heimflog nach Brasilien.
Mit Vitor Pereira und seinem Stab wurde ein millionteures Trainer-Team engagiert. Dazu gehörten 5 Co-Trainer und ein Torwart-Trainer.
Mit Ian Ayre wurde der letztjährige „Manager des Jahres“ der Premier League vom FC Liverpool verpflichtet.
Undsoweiter. Undsoweiter.
Bei 1860, soviel lässt sich also mal sicher sagen, sind sie nicht daran gescheitert, zuwenig Geld gehabt zu haben. Sie haben zuviel gehabt. Und es ist sinn- und planlos ausgegeben worden, von Leuten, die für und von Fußball keinen Sinn und keinen Plan haben.
Was das alles mit euch zu tun hat?
So kann Fußball aussehen, wenn man ihn zum Business machen will. Wenn man Investoren die Macht übernehmen lässt, weil sie wenig Ahnung und sehr viel Geld haben. Wenn man meint, die 50+1-Regelung im deutschen Fußball sei eine antiquierte Dummheit Wenn man meint, man könne sich Mannschaften einfach zusammenkaufen, mit Spielern, Trainern und Managern aus der ganzen Welt. Wenn man dubiosen Beratern Millionen hinterherwirft.
Und wenn man vergisst, was die Seele des Spiels ist.
1860 war mal ein großer Verein. Mit Tradition, mit Identität, mit echten Münchner Wurzeln. Nichts mehr davon ist übrig.
Wenn man auch nur ein bisschen für Fußball übrig hat, muss man den Tag heute traurig finden. Selbst dann, wenn man alles andere als Sechzger-Fan ist.