Ein Königreich für mehr Service– oder: Der kleine Horrortrip mit Jura, Dyson und der Lufthansa

Servicewüste Deutschland

Nach (mal wieder) zwei Wochen USA fallen dir Dinge auf, die du schon vorher wusstest, aber irgendwie im Alltag verdrängt hast. Heute: deutsche Unfreundlichkeiten und ein Service, mit dem du in den USA sofort bankrott gehen würdest...

Am Ende ist doch noch etwas schief gegangen: Der Heimflug von New York nach München startete erst vier Stunden später als geplant. Irgendwas war an der Maschine kaputt, wurde repariert, danach hob sie ab, flog präzise wie ein Uhrwerk und landete exakt zur angegebenen (verschobenen) Zeit im nassgrauen München. No big thing, wer jemals in Deutschland mit der Bahn gefahren ist, kann über sowas nur müde lächeln.

Der Unterschied: Bei der Bahn musst du viel Glück haben, wenn du einen kompetenten und freundlichen Mitarbeiter erwischen willst. Bei einer meiner letzten Fahrten mit dem Laden, als mal wieder ein Zug komplett ausfiel, maulte ein Bahn-Mitarbeiter, ich solle mich nicht so anstellen, das könne ja mal vorkommen, dass es zu wenig Mitarbeiter gebe, so dass eine Fahrt abgesagt werden müsse. Schon möglich, dachte ich mir, aber das weiß man wirklich erst zehn Minuten vorher? Ich wollte noch das schöne Bonmot von Loriot anbringen („Das kann passieren, aber es darf nicht passieren“), ließ es aber dann bleiben. Der Bahn was von Zuverlässigkeit und Service zu erzählen, das ist so sinnvoll wie Wandfarbe beim Trocknen zuzuschauen.

Bei United Airlines, um auf den oben erwähnten Heimflug zurückzukommen, fingen Sie schon vorher an, sich zu entschuldigen. Per Mail, persönlich, die Stewardessen, die Piloten, einfach alle. Nach der Landung dann sogar der Vizepräsident des Ladens, auch wenn mir natürlich klar war, dass die Sorry-Mail nicht wirklich vom Vizepräsidenten kam. In dieser Mail allerdings war dann auch ein Link zu einem Service-Portal, wo ich klären konnte, ob mir eine Entschädigung zusteht.

Das tut sie übrigens nicht, was damit zu tun hat, dass United diesen Flug für die Lufthansa durchgeführt hat und ich somit nicht Kunde von UA, sondern der Lufthansa war.

Und damit zurück nach Deutschland. Zur Lufthansa und zum Service und der Freundlichkeit in Deutschland als solches.

Die Lufthansa: „Danke für Ihre Anfrage (wir antworten evtl. in sechs Wochen)“

Unnötig zu sagen, dass ich von der Lufthansa natürlich keine Mail und auch kein „sorry“ gehört habe. Stattdessen suchte ich erstmal auf der Webseite nach einer Möglichkeit, die kleine Verspätung zu reklamieren. Die fand ich dann auch und als ich schließlich das Formular abgesendet hatte, antwortete Lufthansa sofort. Vollautomatisch. Mit einer Mail, die sich jemand ausgedacht haben musste, um mir zu zeigen:

HEY, du bist jetzt nicht mehr in den USA, sondern in DEUTSCHLAND, Home of the Unfreundlichkeit und Land of the No-Service!

Lufthansa-Mail: Service nicht ganz so hervorragend wie sonst

Der Inhalt: Man habe eine „Anfrage“ geschickt, die man übergeben habe, die man allerdings vermutlich erst in sechs Wochen beantworten könne, weil gerade so viel los sein, was man bedauere, weil das nicht der „hervorragende Service“ sei, den der Konzern sonst seinen Kunden biete.

Aha.

Daran ist ungefähr alles falsch, was nur falsch sein kann.

Eine Reklamation ist keine „Anfrage“, so geht es mal los. Außer natürlich in deutschen Service-Hirnen, da ist der Kunde immer einer, der eine „Anfrage“ stellt. In den USA würden Mitarbeiter mit einer solchen Grundeinstellung schon lange, nennen wir es mal so, wieder arbeitssuchend sein. Da waren sie bei United deutlich schlauer, weil der Service-Dingens die ganze Geschichte ganz einfach auf den Punkt bringt:

I’ve always found that when things go wrong, it’s best to start with a simple apology.

Ja, so simpel wäre das, aber nicht bei der Lufthansa (und anderen Großunternehmen, wie wir später noch sehen). Da stellt der Kunde eine „Anfrage“, die vielleicht irgendwann beantwortet wird.

Die Leute auf dem Flug waren übrigens ziemlich entspannt. Könnte damit zu tun haben, genau: dass sich UA sofort entschuldigt hat und die Besatzung ankündigte, man werde alles tun, um den Ärger mit bestmöglichem Service vergessen zu machen. Und der Pilot kündigte an, extra viel Gas geben zu wollen, um möglichst schnell nach München zu kommen. So könnte man es eben auch machen, wenn man nur wollte.

Will man in Deutschland aber nicht oder vielleicht können wir hier auch einfach nur nicht. Über die Gründe mag ich mir kein Urteil erlauben, aber dass ich mit dieser treudeutschen Pampigkeit immer weniger klar komme, das weiß ich sicher. Zwei andere Beispiele aus jüngster Zeit, nicht dass es am Ende heißt, ja mei, Lufthansa und Bahn, zwei irgendwie so halbstaatliche Monopolisten, was will man erwarten? Da könnte man genauso gut darauf hoffen, dass ein deutsches Finanzamt halbwegs freundlich formulierte Briefe schreibt (man weiß: vorher friert die Hölle zu).

Jura – oder: Wie zeige ich dem Kunden eindrücklich, dass er mich stört?

Jura beispielsweise ist kein deutscher Monopolist, sondern ein Schweizer Hersteller von Kaffeeautomaten, denen man auf der ganzen Welt Schweizer Präzision und Qualität nachsagt (noch so ein Vorurteil, wie wir gleich sehen werden). Als weltweit anerkannter Präzisionskaffeebetrieb hat Jura auch eine Niederlassung in Deutschland und damit gehen die Probleme schon los.

Vor knapp sechs Wochen, Anfang März, gab unser „Kaffeevollautomat“ (auch so ein schön sperriges deutsches Wort) den Geist auf. Das ist nach 15 Jahren nicht so schlimm. Und weil dieses Gerät eine Jura war und es ja immer heißt, das Qualität eben kostet, habe ich wieder eine Jura gekauft. 1300 Euro hat das gute Stück gekostet. Ich weiß natürlich, dass man bei Jura noch deutlich teurere Stücke kaufen kann, hatte aber die vorsichtige Vermutung, dass das 1300-Euro-Teil ja zumindest rudimentär funktionieren könnte. Mit zunehmendem Alter schraubt man seine Erwartungen ans Leben spürbar runter.

Dumm nur: Das war ein Trugschluss. Nach gut einer Woche des Betriebs kamen die ersten Fehlermeldungen. Nach zwei Wochen und ausweislich des internen Zählers sagenhaften 85 „Kaffeebezügen“ ging gar nix mehr. Erwähnte ich übrigens schon, dass deutsche Sprache verräterisch sein kann? Der Kunde „bezieht“ hier eben seinen Kaffee. Wer auch immer sich dieses Wort ausgedacht hat, er steht exemplarisch für Deutschland, herzlichen Glückwunsch dazu.

Also, ziemlich genau zwei Wochen funktionierte das 1300-Euro-Präzisionsgerät. Danach die Meldung im immerhin sehr hübschen Farb-Touch-Display: Wenden Sie sich an den Service. Und ich wusste: Wenn die das schon schreiben, dann ist wirklich was kaputt. Davon abgesehen blieb mir auch nichts anderes übrig, weil nur noch diese Meldung kam und alles andere nicht mehr reagierte.

Anruf also bei Jura in Nürnberg, beim Service, an den ich mich ja wenden sollte. Eine mittelfreundliche Frau am Telefon, sie fragt: Ob denn die Maschine in einem sehr kalten Raum gestanden sei? Ich antworte wahrheitsgemäß, dass es in unserer Küche durchschnittlich warm bei einer Raumtemperatur von rund 21 Grad sei und ich das nicht als ungewöhnlich kalt bezeichnen würde. Trotzdem, sagt die Frauenstimme, ich solle das Gerät mal vom Stromnetz nehmen, eine Zeit warten und dann wieder anstecken.

Ich schaue mich misstrauisch um. Ein Telefonstreich? Ich ahne aber, dass die Stimme das wirklich ernst meint. Hören Sie, sage ich…werde aber sofort unterbrochen: Ich solle das jetzt mal so machen und wenn es am Tag darauf immer noch nicht gehe, könne ich ja nochmal anrufen. Unter Service hatte ich mir zwar etwas anderes vorgestellt, aber bitte, um einen Tag mehr oder weniger soll es jetzt auch nicht mehr gehen.

Dann also am nächsten Tag der nächste Versuch bei Jura, nachdem das Vom-Netz-Nehmen erwartungsgemäß den gleichen Effekt hatte, als wenn ich in der Küche einen Regentanz aufgeführt hätte. Wieder ist eine Frau dran, eine andere als am Tag zuvor. Und sie sagt: Ja, dann könnten sie mal schauen, ob eine Jura-Werkstatt in der Nähe ist. Die nächste ist knapp eine Dreiviertelstunde weg.

Dann kommen wir endlich zum finalen Ergebnis: Die Maschine muss eingeschickt werden. Allerdings nicht in der Originalverpackung, sondern in einer speziellen Jura-Transport-Verpackung, die man mir per Post zukommen lassen will. Ich verstehe zwar nicht, wieso die Maschine beim Kauf anscheinend in einer für Transporte ungeeigneten Verpackung verschickt wurde, aber in diesem an Absurditäten reichen Spektakel ist das dann auch schon egal. Die Verpackung soll am nächsten Tag da sein und dann könnte ich ja wieder am nächsten Tag zur Post gehen und am übernächsten Tag wäre die Maschine dann bei Jura.

Dann sind wir zwar bei fast einer Woche seit der Reklamation, aber, so belehrt mich die strenge Stimme am Telefon, anders gehe das nicht, leider. Kurz ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass eine kundenfreundliche Firma das Gerät schlichtweg gegen ein neues ausgetauscht hätte, aber, das werde ich in den kommenden Tagen noch lernen, mit dem Kunden haben sie es nicht so im Hause Jura.

Warten also auf die Transport-Verpackung, auf ein knallgelbes DHL-Auto. Leider kommt kommt das am nächsten Tag nicht und am übernächsten auch nicht und am überübernächsten auch nicht. Vier Tage später also wieder Anruf bei Jura: Wo bleibt denn bitteschön die Verpackung?

Ja, sagt wieder eine andere Frauenstimme am Telefon, das wäre aktuell blöd, weil DHL gerade streike. Ich schaue aus dem Fenster, just in diesem Moment fährt ein DHL-Fahrzeug an mir vorbei. Ich erzähle meine Beobachtung der Frau und sage ihr außerdem, dass ich von einem DHL-Streik nichts wisse. Doch, sagt sie bestimmt: Die haben gestreikt! Und nun? Da müsse ich mich eben noch ein wenig gedulden, sagt sie in einem Ton, der mit unverschämt noch überaus freundlich beschrieben ist. (Nebenbei bemerkt: Zu der Zeit gab es definitiv keinen DHL-Streik).

Das ist der Moment, in dem meine bernhardinerartige Gleichmütigkeit kippt – und ich endlich weiß, wie sich das mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde angefühlt haben muss. Die Kurz-Zusammenfassung:

WENN DIESE SCHEISS-VERPACKUNG MORGEN NICHT HIER IST, FAHRE ICH IHNEN DIESES DRECKSGERÄT MORGEN MIT DEM AUTO NACH NÜRNBERG UND WERFE ES IHNEN VOR DIE TÜR!!

Meine Wirkung ist bescheiden. „Das geht nicht, Sie müssen uns das Recht zur Nachbesserung geben.“

Dr. Jekyll:

WOLLEN SIE MICH VERARSCHEN??

Der Sprechroboter auf der anderen Seite bleibt ungerührt, vor einer Rückgabe müsse man…

Ich verschone euch vom weiteren Verlauf der Debatte – am nächsten Tag ist die Verpackung tatsächlich da (DHL hat anscheinend plötzlich seinen Streik beendet, vielleicht lag es aber auch daran, dass ich allmählich Schaum vor dem Mund hatte und es sich für mich so anfühlte, als würden mir langsam Reißzähne wachsen).

Jetzt dann also nur noch: Die Maschine ordnungsgemäß verpacken, zur Post fahren, wegschicken. Andere Unternehmen bieten in solchen Fällen ja an, dass man einen Abholauftrag macht, Apple beispielsweise. Aber diesen Vergleich hat die unfreundliche Jura-Stimme schon von sich gewiesen: „Wir sind hier nicht bei Apple“ (als wenn ich das nicht sehr schnell selbst gemerkt hätte).

Tage später: Keine Reaktion von Jura. Ob das Ding eingegangen ist, was nun passiert, wie lange die Reparatur dauern wird, nichts, einfach: nichts. Ich schreibe eine Mail, im Tonfall angesiedelt zwischen Bernhardiner und Mr. Jekyll, aber das ist völlig Wurscht, weil Jura immer in der gleichen stoischen Ruhe kommuniziert. Nämlich so:

Mail Jura: Nur drei Wochen Bearbeitungszeit, hurra!

Ist da. Kann bis zu drei Wochen dauern.

Rechnen wir also mal wieder zusammen: Seit Anfang März habe ich die Maschine. In fehlerfreiem Betrieb war sie knapp zwei Wochen, defekt ist sie seit Mitte März, bis sie repariert sein wird, dürfte es Mitte April werden. Macht also rund sechs Wochen mit einer neuen Maschine, eine Zeit, in der sie zu zwei Dritteln entweder defekt oder nicht verfügbar ist.

Vorgestern kam sie dann zurück. Kein Begleitschreiben, keine Entschuldigung, nichts. Immerhin geht sie jetzt schon seit zwei Tagen fehlerfrei, was aber nichts daran ändert: Das war mein letzter Euro, den ich bei Jura ausgegeben habe (und ich empfehle euch dringend, nochmal genau nachzudenken, wenn ihr was von Jura kaufen wollt). Dabei wäre alles ganz anders gewesen, würden sie in dem Laden den simplen Leitsatz kennen:

When things go wrong, it’s best to start with a simple apology.

***

Und damit kommen wir zur nächsten Großfirma und dem Servicegedanken. Wie wir bald sehen werden, spielt hier auch noch das Thema Produktqualität eine Rolle, aber wollte man das hier auch noch debattieren, man müsste ein eigenes Blog für dieses Thema eröffnen. Jedenfalls war es zu Hochzeiten der Pandemie, als ich mich vom allgemeinen Wahn hinreißen haben lassen: Ein Luftfilter muss ins Haus, nicht irgendeiner, sondern ein Dyson. Ein Puryfier mit Befeuchtungsfunktion, bedienbar auch per App, tolles Ding zum stolzen Preis von 600 Euro. Gesagt, getan, bestellt, zwei Tage später steht er im Wohnzimmer.

Dyson und der Versuch, jede Absurdität noch absurder zu machen

Das allerdings nicht sehr lang: Nach gut einem Vierteljahr ist die erste Tiefenreinigung der Filter fällig. Ein Routineding, erledigt das Gerät normalerweise fast alleine.

Meines nicht.

Stattdessen hängt sich das Wundergerät auf, die angekündigte Dauer von 60 Minuten ist weit überschritten. Nach knapp 24 Stunden denkt sich auch der Bernhardiner in mir, dass das eigentlich nicht sein kann. Ich breche die Reinigung ab und starte nochmal neu. Das Ergebnis: siehe oben. Nach dem dritten gescheiterten Versuch kontaktiere ich den Kundendienst. Immerhin per WhatsApp (Dyson möchte gerne cool sein). Wir schreiben eine Zeit hin und her, bis mein Gegenüber befindet: Das wird nix mehr, den müssen Sie einschicken. Immerhin, da ist Dyson Jura deutlich überlegen, wird das Gerät kostenlos abgeholt.

Das allerdings war es dann auch schon mit den guten Nachrichten. Ein paar Tage später kommt die niederschmetternde Diagnose, dass das Gerät beim besten Willen nicht mehr zu reparieren sei. Und, ebenfalls blöd: Ein Ersatzgerät sei gerade nicht auf Lager und es sei auch nicht absehbar, bis wann eines eintrifft. Immerhin aber bietet man mir an, dass ich für den Übergang ein kleineres Gerät bekomme, das ich dann, wenn der eigentliche Puryfier wieder eintrifft, auch behalten darf.

Die Monate vergehen, ich vergesse fast, dass es eine Pandemie gibt und dass jemals ein Puriyfier im Wohnzimmer stand, da kommt die Nachricht von Dyson: In den kommenden Tagen kommt dein neues Gerät! Und in der Tat, kurz daran steht das Ding und ich lobe Dyson, dass das ja servicemäßig fast so gut wie Apple sei (sieht man von ein paar Monaten Wartezeit ab).

Die Freude währt drei Monate. Bis zur nächsten Tiefenreinigung. Setzen Sie zur Problembeschreibung einfach den vorvorletzten Absatz hier ein.

Die Problemlösung: Setzen Sie hier einfach den vorletzten Absatz ein. Nur ein Ersatzgerät bekomme ich diesmal nicht. Dafür ist die Kiste immerhin nach einer guten Woche wieder da, allerdings mit dem Manko, dass es nicht WLAN-fähig ist (Alternative wäre B-Ware gewesen). Weil mir allerdings nach ungezählten WhatsApp-Chats und diversen Mails die Nerven fehlen, gebe ich mich damit zufrieden.

Und immerhin, die erste Tiefenreinigung nach drei Monaten: tadellos!

Kurz darauf beginne ich mich allerdings zu wundern: Die Luftfeuchtigkeit im Raum bleibt immer gleich, selbst wenn ich das Ding auf Hochtouren laufen lasse. Nachdem auch der Wasserstand im Tank immer gleich ist, gehört nicht viel technisches Verständnis dazu, um zu wissen: Da scheint was defekt zu sein, mutmaßlich eine Pumpe.

Diese brillanten Erkenntnisse teile ich auch dem WhatsApp-Kundendienst mit, der das grundsätzlich auch so sieht und meint, ich könne das Gerät ja mal (Sie ahnen es): einschicken. Nachdem mir dieser Vorgang durchaus vertraut ist, wickle ich alles wie gehabt ab und kaum eine Woche später kommt das dritte Gerät aus der Reparatur zurück. Kleiner Haken an der Sache: Zwar geht jetzt die Pumpe wieder, aber aus unerfindlichen Gründen pumpt sie das Wasser direkt in die Filter. Die Folge ist eine heftige Überschwemmung im Gerät, ein klatschnasser Filter und natürlich die damit einhergehende Dysfunktionalität.

Ich klemme mich also mal wieder an den WhatsApp-Kanal, dem Dr. Jekyll deutlich näher als dem Berhardiner. Was danach passiert, bringt mich um jede Fassung: Insgesamt sechs Stunden (!) zieht sich der Chat, mal antwortet Dyson eine Stunde lang gar nicht, ein anderes Mal bekomme ich Antworten, bei denen ich daran zweifle, dass mein Gegenüber jemals eine solche Kiste zu Gesicht bekommen hat.

Nach einem bizarren Chat (Jekyll wachsen wieder die Reißzähne), kommen sie bei Dyson auf die grandiose Idee: Da müsste man mal das Gerät einschicken. Das Gerät, das wohlgemerkt zwei Tage vorher aus der Werkstatt kam.

Falls Sie den Überblick verloren habe: Das ist jetzt das dritte Gerät, insgesamt schicke ich das Teil zum fünften Mal ein. Von Dyson: keinerlei ernstzunehmende Reaktion. Stattdessen eine Werkstatt, die ein kaputtes Gerät mit einem neuen Defekt zurückschickt. Ein Gerät, das anscheinend so fehlerhaft ist, dass es laufend kaputt geht.

Nur der Vollständigkeit halber: Zu Zeiten, als ich Dyson noch nicht für einen Hersteller von Elektroschrott gehalten habe, habe ich meiner Frau mal noch einen Fön für 400 Euro gekauft. Der war nach exakt drei Monaten komplett kaputt, immerhin funktioniert jetzt wenigstens das Austauschgerät ohne Probleme (ich klopfe hiermit hörbar auf Holz). Zudem ein komplett ahnungsloser Kundendienst.

***

Darf man also mit gutem Gewissen sagen, dass Dyson und Jura und der Lufthansa ihre Kunden völlig egal sind? Ja, darf man.

Kann man auch sagen, dass die Produkte und Dienstleistungen dieser hochpreisigen Unternehmen eher nur so mittelgut sind? Zumindest nach meiner Erfahrung: unbedingt.

Hallo Jura, Lufthansa, Dyson, nur noch mal zum Drantackern:

When things go wrong, it’s best to start with a simple apology.

***

Morgen wird die Dyson-Kiste mal wieder abgeholt, Ausgang offen. Was ich sicher weiß: Drei Unternehmen haben mich als Kunden verloren (gut, bei der Lufthansa weiß ich nicht, ob das immer durchzuhalten ist, leider). Was ich aber weiß: Der Nächste, der über die Dominanz von Unternehmen wie Amazon und Apple jammert, dem erzähle ich die Geschichte von drei Unternehmen, die ihre Kunden mit Gewalt vergraulen und damit in der Servicewüste D leider nicht alleine sind.

Und ich empfehle jedem dieser Firmen, ihre CEOs und Serviceverantwortlichen mal zu einem Praktikum in die USA zu schicken. Mit soviel Unfreundlichkeit und so miserablem Service jedenfalls könnten die da nicht mal erfolgreich einen Hot-Dog-Stand betreiben.

Warum 2023 ein ordentliches Jahr wird (und die meisten anderen auch)

2023 (Foto: Envato Elements)

Der Corona-Inzidenzwert bei mir zuhause lag heute bei ein bisschen was über 100. Für den Fall, dass ihr euch jetzt fragt, warum ich mit einer solchen Bagatelle anfange – genau deswegen: weil es eine Bagatelle ist.

Dass ich einen solchen Satz am Ende dieses Jahres schreiben würde, hätte ich nicht gedacht. Schon gar nicht, nachdem ich mich selbst pünktlich zum Jahreswechsel angesteckt hatte. Damals, in den USA, als eine hier noch weitgehend unbedeutende Variante namens “Omikron” aufkam, von der man ahnte, sie würde weit ansteckender sein als ihre Vorgänger (kann ich übrigens bestätigen). Heute, knapp 12 Monate später, findet sich das Corona-Thema fast nirgends mehr in den Schlagzeilen, wenn du mal jemandem mit Maske begegnest, schaust du ihn an wie ein Alien (außer, du bist gerade in einem ICE, aber selbst das ist ja bald vorbei). 

Bevor jetzt jemand denkt, oha, ein Corona-Verharmloser, ein Querdenker womöglich (man landet heute ja immer wahnsinnig schnell in Schubladen): Ich bin, jawoll, viermal geimpft, meine Frau war mit Long Covid ein halbes Jahr krankgeschrieben. Ich weiß also, was dieses Mist-Virus anrichten kann und würde es alleine deswegen nicht verharmlosen. Ich schreibe nur deshalb hier so viel über Corona, weil dieses Thema ein wunderbares Beispiel dafür ist, wie es im Leben nunmal so läuft: Irgendwie geht es immer weiter und selbst bei diesem Thema, bei dem uns Karl Lauterbach noch unlängst vor dem Auftauchen einer herbstlichen “Killer-Variante” gewarnt hatte, ist es urplötzlich wieder so, dass wir weitermachen können. Im Wissen, dass es nicht die erste und auch nicht die letzte Pandemie war. Ach, und erinnert sich noch jemand an Christian Drosten?

Das alles sind keine wirklich neuen Erkenntnisse. Zumindest nicht für Menschen, die schon etwas länger auf diesem Planeten leben. Ich bin 20 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs geboren, das wird mir immer mehr bewusst. 20 Jahre nach der größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts, aber soweit ich weiß, ging es uns da schon wieder ziemlich gut. Meine Eltern hatten ihren ersten VW Käfer mit gerade mal Anfang 20, es gab die Beatles, die Stones und im zarten Alter von fünf Jahren stieg ich das erste Mal in ein Flugzeug für einen Urlaub (und nein, meine Eltern zählten nicht zu den Superreichen im Land). 

Heulen in den Vanille-Tee

Danach habe ich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, erlebt: einen sauren Regen, ein Waldsterben, ein Ozonloch, ein komplett havariertes Kernkraftwerk, verstrahltes Milchpulver und gesperrte Wälder, Kriege im Nahen Osten und auf dem Balkan, noch ein havariertes Kernkraftwerk und Fernsehshows von Mario Barth. Dass es “No Future” gibt, behaupteten Punks (also, die echten, nicht die, die das als Modebewegung missbrauchen) schon 1977 und wie bedröppelt und trostlos die Friedensbewegung in den Achtzigern in ihren Vanille-Tee heulte vor lauter Weltschmerz, habe ich auch noch ganz gut in Erinnerung.

Ich wundere mich also gar nicht über mich selbst, wenn ich beim Jahreswechsel 2022/23 einigermaßen gut gelaunt bin; sofern mich nicht wieder dieses Virus niederstreckt. Aber, siehe oben: vier Spritzen, Grund zum Optimismus also! Ich bin mir sicher, dass wir es keineswegs mit der “Letzten Generation” zu tun haben, ich glaube fest daran, dass wir sowohl den Klimawandel überstehen werden und ich bin mir auch sicher, dass  unsere Gesellschaft weder so rassistisch noch sexistisch noch you-name-it ist, wie man beim Lesen und Hören und Schauen in diesen Tagen meinen könnte.

Sollten sich jüngere Leser hierhin verirrt haben: Ich kann mir gut vorstellen, wir ihr jetzt die Augen rollt, alterweißerMann!!!! Wenn’s gut geht, im schlechtesten Fall bleibt es nicht bei dieser Beschimpfung. Mich wundert es übrigens jedes Mal, wie schnell dieser Begriff zum ultimativen Schimpfwort geworden ist. Unter diesem alten, weißen Mann kommt nicht mehr viel; Diktator oder Massenmörder vielleicht noch.

Ich will jetzt nicht darüber lamentieren, dass es sich dabei genau genommen sowohl um eine Geschlechter- als auch Altersdiskriminierung handeln könnte, weil Lamentieren generell nicht so sehr mein Ding ist. Trotzdem fände ich es nett, wenn wir diesen Alterweißermann-Reflex 2023 langsam wieder beerdigen könnten. Schon alleine deswegen, weil seine Verwendung inzwischen bizarre Züge angenommen hat. Im “Spiegel” beispielsweise habe ich die Tage das Portrait einer Jungpolitikerin aus dem Bundestag gelesen, die als ihr politisches Lebensziel ausgegeben hat, “bloß kein weißer Mann” zu werden. Ich wunderte mich, wie sich nur ein alter, weißer Mann wundern kann, fand es aber offen gesagt schon auch ein wenig unambitioniert: Dein Lebensziel ist es also, irgendetwas nicht zu werden? Vielleicht ist das ja auch der Unterschied zwischen unseren Generationen; ich glaube, ich wollte immer etwas werden.

Die nächste Punk-Generation steht schon in den ungeborenen Startlöchern

Aber auch das wird vorbeigehen. Weil jeder Zeitgeist irgendwann mal eine Gegenbewegung erzeugt. Auf das verkopfte Artrock-Zeug und auf Joints und theoretische Endlos-Debatten kam der Punk; drei Accorde, f*ck off! Auf den Punk folgten die Popper, auf die nihilistischen 90er haben wir  jetzt die hypermoralischen Jahre und ich bin mir sicher, dass diese moralische, vernünftige Generation gerade die neuen Punks großzieht. Die werden sich umschauen, wenn ihre Kinder ihnen plötzlich Spießertum vorwerfen (kein Mitleid, selbst schuld).

Warum das so ist? Weil das meiste von zur substanzlosen Mode verkommen ist. Merke: Wenn deine Geisteshaltung, dein Streben nach Diversity, nach Nachhaltigkeit und dem ganzen anderen Kram im Mainstream und in der Werbung für Douglas oder die Deutsche Bahn angekommen ist, dann ist sie erledigt. Von Diversity schwafelt heute jeder, weil es so wunderbar einfach ist: Wenn ein Großkonzern einen “Diversity-Beauftragten” ernennt, ist das meistens folgenlos, er muss ja nichts nachweisen. Diversity, Inklusion, Nachhaltigkeit, das sind so wolkige Begriffe, dass sich jeder Mainstreamer bei LinkedIn dranhängen und sich des Applauses und der unzähligen Likes sicher sein kann. Klar, weil: Wer will ernsthaft etwas dagegen sagen? Und würde man es tun, wäre man zumindest in meinem Fall mit einem verächtlich dahin geworfenen “Alter weißer Mann” erledigt.

Das ist schade und es schädlich, weil es die Denkfaulheit und die genormten Allesnachplappperer fordert und die eigentlichen Anliegen vernachlässigt, wenn man sich  in der eigenen kuscheligen Komfortzone gemütlich eingerichtet hat. Den Blick verengt, gemeinsam gegen den Feind und alle brav in der gleichen Haltung, die Diversity beschränkt sich dann schnell mal auf die Leute mit der richtigen Haltung. So funktioniert das immer noch und so werden solche Zeitgeister auch weiterhin funktionieren. Ich wäre da nur nicht so wahnsinnig stolz drauf, weil aus Denkfaulheit noch nie etwas gutes entstanden ist.

Wir werden also, um endlich wieder zum eigentlichen Thema zurückzukommen, auch 2023 ff irgendwie ganz passabel überstehen. Nein, das soll nicht heißen: einfach mal so weitermachen und irgendwie wird es dann schon. Wir werden uns ein paar Dinge einfallen lassen müssen, so wie unzählige Generationen vor uns auch. Vermutlich werden wir es eher schlecht als recht machen und aus jedem gelösten Problem erwächst dann wieder ein neues. Aber auch das kennen wir ja jetzt schon seit vielen Jahren. Vom Virus werden wir dann nicht mehr so viel reden und vielleicht, mit sehr viel Glück, auch nicht mehr von Energiepreisen und dem Ukraine-Krieg. Aber dann kommt was anderes; ein Ende der Geschichte gibt es nicht, das weiß ausgerechnet meine Generation ganz gut.

Was lernen wir daraus? Dass wir die allermeisten Dinge, die wir tun, mehrmals tun müssen und nur ganz selten ein für alle Mal erledigen.

In diesem Sinne: An die Arbeit, Kopf nicht hängen lassen – und: happy 2023!

Nachtrag: Der großartige Terry Hall von den Specials ist gestorben und eine Songzeile aus “A Message to you Rudy” passt ganz wunderbar zu dem, was ich geschrieben habe:

Stop your messing around;

Better think of your future,

Time to straighten right out,

Creating problems in town.

Alles reine Kopfsache: Warum dieses C-Ding plötzlich gar nicht mehr so schlimm ist

Zwei Jahre habe ich mich selbst eingesperrt, isoliert, gedownlocked. Das Haus kaum verlassen, Menschen nur dann getroffen, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Und angemessen Panik geschoben, dass ich mich infizieren könnte, mit diesem Corona -Dings . Dann kamen knapp zwei Wochen USA und alles ist anders.

Florida während Omikron: Prall gefülltes Eishockey-Stadion in Miami, knapp 20.000 Zuschauer. Darunter zwei mit Maske, das waren wir. (Fotos: Christian Jakubetz)
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Bekenntnisse eines Langweilers

Die meiste Zeit habe ich wenigstens passabel gute Laune. Das macht mich zu einem eher langweiligen Menschen, befürchte ich. Richtig interessant sind die anderen. Die mit Depressionen, die Sich-Schuldig-Fühler, die Selbstzweifler. Aber die halbwegs gut gelaunten? Müssen entweder naiv oder etwas unterbelichtet sein. Außerdem: was erzählt man über jemanden, der gut gelaunt ist? Dass er immer gut gelaunt ist? Na bitte.

Schauen wir also zum Beweis in die aktuellen Ausgaben vom „SZ Magazin“ und vom „Zeit Magazin“, den beiden gedruckten Hochämtern aller, die etwas auf sich halten.

In der SZ: Dirk von Lowtzow, Diskursrocker. Der von den unangreifbaren „Tocotronic“. Der Mann, der so schöne Songtitel wie „Bitte oszilieren Sie“ oder „Im Zweifel für den Zweifel“ geschrieben hat.


Kann sich jemand gut gelaunte Tocotronic vorstelllen? Will jemand zu Tocotronic, um dort ausgelassen Party zu machen? Würde jemand Diskursrocker-Platten hören und Diskursrocker-Bücher lesen, wenn sie nicht in der Attitüde des Zweiflers mit gelegentlichen Anflügen zur Depression daherkämen?

Konter „Zeit Magazin“: eine Geschichte von und mit der aktuell unvermeidlichen Sophie Passmann. Frau Passmann lässt uns wissen, dass sie permanent an sich zweifelt. Das wiederum sei eine besonders wertvolle Gabe, weil, Sie ahnen es, diejenigen, die nicht an sich zweifeln, entweder dumm oder übertrieben selbstbewusst oder möglicherweise beides sind. Wir warten unterdessen auf Tocotronic feat. Sophie Passmann: Im Zweifel für den Zweifel.


Des Weiteren im Angebot: Eine Geschichte über eine Frau, die bei Twitter mit ihren Tweets über ihre Depressionen jeden Tag Tausende verzückt (ok, Twitter ist vermutlich auch genau der richtige Kanal dafür). Ist das nicht doll? Tägliche Tweets und dazu inzwischen ein ganzer Essayband über Depressionen!

Zurück noch mal zur „Zeit“, allerdings zur Hauptausgabe:

„Papa, fühlst du dich schuldig?“

„Ja, das ist ein Scheißgefühl.“

Das ist die Überschrift zu einer Unterhaltung im Familienkreis oder zumindest dessen, was man bei der „Zeit“ dafür hält. Über was man halt so spricht, beim Abendessen, wenn im Hintergrund dezent ein bisschen „Tocotronic“ läuft. Es geht um: Klimawandel. Papa fühlt sich wegen des Klimawandels schuldig und diskutiert das mit seinen Kindern, ganz im Ernst.

Die Kinder heißen übrigens Leevke und Luna.

Und jetzt weiß ich auch nicht genau, wie ich Ihnen das erklären soll, vermutlich werden Sie mich für einen ignoranten alten weißen Mann halten, aber:

Ich finde den Klimawandel nicht so gut, aber ich fühle mich nicht schuldig und gehe abends nicht mit einem Scheißgefühl ins Bett. Dafür unterstütze ich regelmäßig 4Ocean, ich hänge es nur nicht an die große Glocke.

Ich zweifle nicht übermäßig an mir.

Ich finde Tocotronic eher öde. Was „Bitte oszillieren Sie“ aussagen soll, weiß ich bis heute nicht genau.

Ich glaube, dass es viele Probleme auf der Welt zu lösen gibt, die man unbedingt und sofort angehen muss. Gendergerechte Sprache gehört für mich eher nicht dazu.

Ich habe früher Cowboy und Indianer gespielt und eine meiner Töchter ging mal als Prinzessin in den Fasching.

Und ich verehre heimlich Lemmy Kilmister.

Dessen Credo: Haltet euch fern von Idioten. Doch, so einfach ist das manchmal.

Und was ist mit Zwillingsbruder Winnetatsch?

Und nun die Nachrichten der letzten Faschingstage:

In Hamburg hat eine Kita den Eltern nahegelegt, ihre Kinder nicht als Indianer oder Scheich zu verkleiden. Das fördere möglicherweise Diskriminierung oder Vorurteile. Ausdrücklich gut geheißen werden Jungs als Meerjungmänner und Mädchen als Piratinnen.

In Köln hat ein Karnevalist Witze über Doppelnamen gemacht. Eine Frau mit Doppelnamen hat ihn dabei erst ausgepfiffen und dann auf der Bühne erklärt, warum Witze mit Doppelnamen doof sind.

Die Bundesrepublik diskutiert als wichtigstes Thema gerade, ob der Latte-Macchiato-Witz von Annegret Kramp-Karrenbauer demokratiegefährdend ist. Kramp-Karrenbauer spielt übrigens auch eine Rolle in der Doppelnamen-Geschichte (siehe oben).

Der über 50-jährige in mir denkt sich leise ein amüsiertes „Wenn es sonst keine Probleme gibt …“, weiß aber auch, dass er, falls er den Gedanken laut äußern sollte, mit hoher Wahrscheinlichkeit als „alter weißer Mann“ bezeichnet wird, der er zweifelsohne ist, was aber mutmaßlich nicht als bloße Feststellung, sondern als handfeste Beleidigung gedacht ist.

Darüber wiederum könnte man sich als Mittfünfziger prächtig aufregen, wie über den Meerjungmänner-Kram auch. Zu den Segnungen des Mittfünfzigertums gehört aber auch, dass man nicht mehr über jedes Stöckchen springen muss und dass man Meerjungmänner und Piratinnen einfach mal gut sein lassen kann.

Es wird sich eh viel zu viel aufgeregt, vermutlich übrigens über Dinge, die der Aufregung kaum wert sind.

Was mir trotzdem gerade einfällt: War Bully Herbigs „Schuh des Manitu“ nicht eine unfassbare Diskriminierung und Bedienung von Vorurteilen und müsste man deshalb Szenen wie diese nicht sofort von YouTube löschen?

Und: Vor gefühlten hunderten Jahren habe ich in einem Interview die damalige Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gefragt, wie um Himmels willen man den Namen Leutheusser-Schnarrenberger in eine handelsübliche Überschrift bekommen soll? Frau Ministerin hat gelacht und gemeint, ihr sei alles recht. Hauptsache, man schreibe nicht „Schnarri“.

Und das war es dann auch schon.

Wie mir Neuntklässler mit Milka, Blumen und Konfetti eine echte Lektion verpasst haben

Am Wochenende hat meine Frau Geburtstag gehabt. Das ist an sich eine schöne Sache, wenn nur die Geschichte mit dem Schenken nicht wäre. Nicht, dass ich ihr nicht liebend gerne etwas schenke. Aber, wenn man ehrlich ist: Es gibt in unserem Alter kaum etwas, was man nicht hat. Und die Dinge, die man bisher nicht hat, die braucht man jetzt auch nicht mehr. First-World-Problems, ich weiß. Zumal es bei Geschenken schon lange nicht mehr darum geht, ob man etwas braucht.

Dagegen die Klasse meiner Frau, diese Klasse, die ich bekanntermaßen ziemlich sensationell finde, weil sie mir regelmäßig Lektionen erteilt. Die hat sich für den Geburtstag ihrer Lehrerin etwas einfallen lassen. Nicht, weil sie gemusst hätten, Sondern weil sie es einfach wollten.

Nur zum Geraderücken der Relation: Ich habe nie in meinem ganzen Schülerleben einem Lehrer etwas geschenkt. Ich wäre nicht mal auf den Gedanken gekommen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann auch der Rest der Klasse nicht. Lehrer dürfen froh sein, wenn Schüler im Teenager-Alter nicht für komplett aus der Zeit gefallen halten, mehr Kompliment geht nicht.

Dagegen das hier! Alleine diese Begrüßung: Sie macht die Klassentür auf, marschiert durch einen Konfetti-Regen, Luftballons und Luftschlangen, blickt auf die Tafel, entdeckt dort den kollektiven Klassen-Geburtstags-Glückwunsch:

Dabei bleibt es nicht, obwohl, ich sag es gerne noch mal: Ich wäre in tausend Jahren als Schüler nicht auf die Idee gekommen, für Lehrer mühevoll das Klassenzimmer zu dekorieren. Nein, stattdessen gibt es: eine Karte. Blumen. Schokolade. Selbstgebasteltes. Ein Parfum. Noch mal Blumen. 15 und 16jährige Neuntklässler einer Mittelschule, die ganz bestimmt nicht zu Mama und Papa sagen: Gib mir mal Geld, wir wollen unserer Lehrerin was zum Geburtstag kaufen.

Und währenddessen sitze ich hier, denke mir, dass die Kids vermutlich keine Ahnung haben, wie toll sie sind, finde plötzlich, dass umgekehrt unsere saturierte Erwachsenenwelt in der gehobenen Mittelklasse ziemlich erbärmlich ist.

Wir schenken uns Gutscheine. Und gratulieren per WhatsApp. Oder via Facebook, was gleich noch mal eine Runde jämmerlicher ist.

Ich habe so was noch nie bekommen. Wie auch, ich bin Journalist und Berater und manchmal auch Autor und in all diesen Funktionen zudem viel im sozialen Netz unterwegs. Und erwachsen. Da darf man um jeden Tag froh sein, an dem man einem ausgewachsenen Shitstorm entgeht.

Man muss dafür dringend darauf achten, nie etwas Falsches zu sagen, zu schreiben, zu fotografieren, weil: Unsere Welt ist streng, nimmt sich selbst sehr wichtig, ist immer überaus korrekt und gleichzeitig gnadenlos im Verurteilen und in der Besserwisserei.

Vielleicht wären Milka und Blumen und Konfetti bei uns ja auch eine gute Idee, ab und zu wenigstens.

Ich habe meiner Frau dann natürlich auch etwas geschenkt. Ich persönlich finde es schön, meine Frau auch (sagt sie wenigstens).

Ich glaube trotzdem, dass mir ihre Schüler mal wieder weit überlegen waren. Eine echte Lektion. Danke, Kids.

Wie mir die Billigflieger den Spaß am Fliegen restlos versaut haben

Vor kurzem bin ich mal wieder geflogen. Ganz normal als Passagier in einer handelsüblichen Maschine. Das war etwas, worauf ich mich immer gefreut haben. Fliegen mag eine mittelgroße Sauerei sein, was die Umwelt angeht. Aber da war mein Ego immer größer. Ich will fliegen! Ich liebe dieses Gefühl, sich zurückzulehnen, der Maschine beim Start zuzuschauen, langsam in den Himmel zu entschweben und dann die Welt für eine Zeit von oben zu sehen. Und dazu all die kleinen Rituale: Orangensaft und Kaffee, auch wenn ich in dem Moment vielleicht gar keinen Orangensaft und Kaffee mag. Beim Fliegen muss das so sein, keine Ahnung warum.

Die Welt von oben. Es gibt ja eigentlich nichts Großartigeres. Es sei denn, du sitzt eingezwickt in den Reihen eines Billigfliegers. (Foto: Jakubetz)
Die Welt von oben. Es gibt ja eigentlich nichts Großartigeres. Es sei denn, du sitzt eingezwickt in den Reihen eines Billigfliegers. (Foto: Jakubetz)

Aber seit Neuestem habe ich keine Lust mehr auf Fliegen. Nicht, weil ich jetzt plötzlich mein Ego der Umwelt unterordnen würde. Sondern weil mir jemand den Spaß am Fliegen grundlegend versaut hat. Der Name des Ladens ist „EasyJet“, er gehört in die Kategorie der gruseligen sogenannten „Billigflieger“.

Und in der Tat: An dem Laden und seinem ganzen Drumherum ist alles, wirklich alles billig. Nicht verwechseln mit: preiswert. Oder kostengünstig. Das ist was anderes. Billig heißt: kostet nicht viel, ist sein Geld aber auch nicht wert. Dann lieber ein paar Euro mehr zahlen, Orangensaft bekommen und entspannt fliegen. (Bevor jemand fragt, ich hatte den Flug nicht selbst gebucht, ich würde in meinem Leben nicht auf eine solche Idee kommen).

Das Schlimme daran: Ich mochte früher das ganze drumherum des Fliegens. Ich sitze lieber an einem Flughafen rum als in einem zugigen Bahnhof. Ich mag das Rumbummeln vor dem Abflug. Meistens nehme ich noch irgendwas mit, auch wenn es dafür ebenfalls keinen echten Grund gibt. Ich mag das Einsteigen in die Maschine, ich schaue mir an, mit welchem Flugzeug-Typ ich fliege, lauter solche Dinge. Ich kann entspannt einsteigen, weil ich weiß, welchen Platz ich habe. Und die Schokoherzen von Air Berlin fehlen mir ernsthaft.

Aber EasyJet? Beim Abflug (in Wien und in Berlin) eingepfercht in einer ungemütlichen Betonhalle mit dem Charme einer Bushaltestelle. Kaum Sitzgelegenheiten, kalt, zugig, ungemütlich. Um mich rum (wenn ihr es politisch korrekt haben wollt, dann bitte spätestens jetzt aufhören zu lesen) lauter Leute, bei denen der Begriff „Billigflieger“ gleich nochmal eine neue Bedeutung bekommt. Das Fernbus-Publikum hat den Billigflieger gekapert.

Ich meine, ich habe nix gegen Fernbusse, außer, dass in ihnen das Reisen zur reinen Fortbewegung reduziert wird. So ist das auch mit EasyJet. Fliegen ist hier kein Reisen mehr, sondern reiner Transport. So schnell und billig wie möglich, dann muss man sich halt man ein bisschen zusammenzwicken, das geht schon für eine oder zwei Stunden.  Reservierte Plätze braucht auch kein Mensch und Orangensaft und Kaffee und halbwegs freundliches Bordpersonal auch nicht.

Nach eine Stunde steigst du dann aus aus einer solchen Fortbewegungs-Maschine. Gestresst und genervt, auch vom, ja, zugegeben, Publikum. Hey, Fliegen, das war mal ein Erlebnis, so aber ist es nur laut, hektisch, schmutzig, funktionell.

Bin übrigens in der letzten Zeit zunehmend mehr auf ICE und Bahn umgestiegen, was insofern ganz sinnvoll ist, weil da die Erwartungshaltung eher niedrig ist und man zwangsläufig kaum enttäuscht wird. Im Gegenteil, man freut sich ja schon, wenn der Zug keine Verspätung hat, keine umgekehrte Wagenreihung angezeigt wird und die Toiletten und Türen wenigstens teilweise nicht defekt sind. Das hat die Bahn in den letzten Wochen ein paar Mal halbwegs ordentlich hinbekommen.

Und schlimmer als eine Billigflieger-Wartehalle ist nicht mal der zugigste Bahnhof.

Wenn du gegen alles bist, wofür die AfD ist, dann ist alles gut

Früher mal ™ war die Sache ziemlich einfach: Es gab links und es gab rechts und es gab logischerweise sowas wie eine Mitte. Links und rechts lagen zumindest in Deutschland eigentlich nie so weit auseinander, wie es sich manchmal anhört: Eigentlich wollten die Deutschen immer einen Union-Kanzler, der möglichst sozialdemokratisch regiert. Ich habe in den letzten Jahren dann für mich selbst zunehmend öfter die Frage gestellt, was eigentlich noch rechts und was links ist und ob man sich überhaupt noch auskennen kann in einer Welt, in der die Union-Kanzlerin so sozialdemokratisch ist, dass die Original-Sozialdemokraten beinahe verschwunden sind.  

Die Rolling Stones und der Herr Gauland…

Am Wochenende habe ich Mick Jagger und Keith Richards gesehen. Und dann habe ich an Alexander Gauland gedacht. 

Ein Post über meine Frau und ein paar Lektionen fürs Leben

Vor ein paar Tagen habe ich eine Geschichte geschrieben. Komplett aus dem Bauch raus, rein nach Gefühl. Ich hatte keinerlei Ahnung, was aus ihr wird. Nicht nur, dass sie, wie man so schön sagt, viral ging wie kaum eine meiner Sachen zuvor. Daneben habe ich für mich und mein restliches, mir noch irgendwie verbleibendes Leben eine ganze Menge verstanden…