Heute ist mein 18. Geburtstag

Ich habe heute Geburtstag. Der Kalender will mir einreden, es sei mein 54. Aber das ist absoluter Unsinn. Tatsächlich ist es mein 18. Geburtstag. Glauben Sie nicht? Ist aber so, ganz im Ernst.  

Die 16-Jährige daheim hat mich unlängst mit der Feststellung beglückt, mein Leben sei ja bald vorbei, während ihres erst so richtig losgehe. Ich vermute, sie meinte das nicht böse. Sondern eher als Feststellung, die grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen ist.

Tatsächlich fällt Menschen in den 50ern ihres Lebens irgendwann auf, wie sich die eigenen Grenzen nach hinten verschieben. Man hat den 60. Geburtstag im Auge, weil man ja erst ab diesem Tag wirklich alt ist. Oder halt, nehmen wir den 65. Das ist Rentenalter und ab dann gehört man zu den Senioren. Und wenn wir schon dabei sind, können wir das auch gleich auf den 70. verschieben. 70, das ist ok, ab da ist man alt. Was den Vorteil mit sich bringt, dass man bis dahin noch etwas Zeit hat.

Alt, das sind immer nur die anderen.

Ich gebe zu, mich bis zum heutigen Tag mit solchen Gedankenkonstrukten über Wasser gehalten zu haben. Was leidlich funktioniert hat, der Mensch ist schließlich in nichts so gut wie im gepflegten Selbstbetrug.

Inzwischen bin ich also laut Kalender 54. Das ist insofern ungünstig, weil der Abstand zu ersten Alters-Brandmauer geringer wird und man ja weiß, was sechs Jahre sind. Gemessen an dem, wie schnell die Zeit vergeht: nix.

Weswegen ich beschlossen habe, jetzt erst mal meinen 18. Geburtstag zu feiern. Endlich volljährig und erwachsen, wenn das mal kein Grund für eine geile Party ist! Der Gedanke ist übrigens nicht so abwegig, wie Sie jetzt möglicherweise annehmen. Männer werden nämlich erst mit 54 so richtig erwachsen. Habe ich jetzt gelesen, ganz im Ernst. Hat irgendeine Studie ergeben. Gut, das muss nichts bedeuten, weil jeden Tag Studien auf den Markt kommen, die irgendwas behaupten. Meistens ist es das, was die Auftraggeber lesen wollen. Ob das auch für Frauen gilt, weiß ich nicht, ich glaube aber nicht. Frauen sind immer schon reifer gewesen als Männer. Da wäre es ein Witz, würden sie erst mit 54 erwachsen.

Wir Männer hingegen sind echte Spätzünder. Das wissen wir im Grunde seit der Pubertät, in der es damit losging, dass uns die Mädchen immer ein gutes Stück voraus waren. Daran ändert sich nicht viel, nicht mal dann, wenn wir 40 sind. Mit 40 sind wir immer noch verunsicherte Hosenscheißer. Schreibt zumindest diese Studie, auch wenn sie es eleganter formuliert. Bis wir 54 werden, plagen uns Ängste. Vor sozialem Abstieg, davor, nie eine gescheite Frau zu finden, vor Übergewicht und Haarausfall. Das ist eine ziemlich lange Zeitspanne, in den meisten Fällen über die Hälfte des Lebens.

Mit 54 ändert sich das. Ich habe keine Ahnung, wieso ausgerechnet mit 54. Ich weiß auch nicht, wie sich das bemerkbar macht und was die Gründe dafür sind. Vielleicht sind uns Übergewicht und Haarausfall einfach egal, was in einigen Fällen daran liegen könnte, dass eh nichts mehr zu retten ist. 

Man könnte aus diesem neu erwachten Pragmatismus aber auch was mitnehmen. Nicht nur, dass man ein Reframing vornimmt, wie Design Thinker das nennen würden. Nicht sich also einfach nur vornehmen, den 54. Geburtstag zum 18. umzufirmieren. Sondern das tatsächlich mit Konsequenzen: sich also fühlen und benehmen wie ein junger Erwachsener, der gerade den Stress der Pubertät hinter sich gelassen hat, endlich vernünftig zu leben beginnt und das mit allen Freiheiten und Energien, die man mit 18 so hat (ideralerweise aber nicht mit dem Verstand eines 18jährigen, da ist man mit dem Hirn eines mittelalten Mannes deutlich besser dran).

Ganz davon abgesehen habe ich vor kurzem noch eine Studie gelesen (man liest viele Studien in meinem Alter, müssen Sie wissen). Demnach hat man mit Bewohnern eines Seniorenheims einen Versuch unternommen, in dem sie als Erstes ihr Alter vergessen sollten.  Im zweiten Schritt sollten sie sich zurückversetzen in die Zeit, in der sie jung waren. Dementsprechend hörten sie Musik aus dieser Zeit, sahen Schwarz-Weiß-Filme und setzten sich dem ganzen neuen Kram nicht mehr aus. Warum auch der Stress, wenn man nicht mag?

Und was kam heraus? Mit den betagten Herrschaften ging es schnell und spürbar aufwärts, sogar von Fremden wurden sie im Schnitt schnell für ein paar Jahre jünger geschätzt, als sie tatsächlich waren.

Deshalb: Danke für die Glückwünsche zum 18.! Endlich erwachsen, endlich tun und lassen können, was einem gefällt. Hat ja auch lange genug gedauert.

Höchste Zeit, nichts mehr zu versäumen!